Manuela Schwesig:Schluss mit lustig

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Sinn für die Inszenierung des Politischen: Manuela Schwesig (SPD) verteilte vor knapp einem Jahr in Schwerin Luftballons an Erstklässler. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Es gab eine Zeit, da schien der SPD-Familienministerin alles zu gelingen. Das ist nun vorbei - inzwischen schlägt ihr massiver Widerstand entgegen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es lief schon einmal besser, so viel steht fest, und wer Manuela Schwesig in diesen Tagen begleitet, kann leicht den Eindruck gewinnen, dass so ein Ministeramt echt ein Kreuz sein kann.

Die Bundesfamilienministerin taucht am Donnerstag dieser Woche im 37. Stock des Hotels Park Inn auf, einem Betonklotz am Berliner Alexanderplatz. Die Sonne scheint, von hier oben kann man weit über die Stadt schauen. Der Ministerin aber ist nicht nach Entspannung zumute. Sie sieht müde aus, die Augen sind gereizt, die Stimmung ist es bald auch.

"Für mich gibt es keine Sommerpause", wird sie später sagen.

Oder: "Es gibt massive Gegenwehr."

Oder: "Da müssen wir noch dickere Bretter bohren."

Seit Monaten kämpft Manuela Schwesig für ein Gesetz, das mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern herstellen soll. Sie will, dass Arbeitgeber darlegen müssen, ob sie beide Geschlechter für gleiche Leistung gleich bezahlen. Die Arbeitgeber warnen vor einem "Bürokratiemonster", die Union will das Gesetz nur, wenn es auf Betriebe ab 500 Mitarbeitern beschränkt wird. Schwesig lehnt das ab, weil die Lohntransparenz dann nur für jede fünfte Beschäftigte gelten würde.

Woche um Woche verhandelt sie nun mit dem Kanzleramt, Arbeitgebern, Gewerkschaften. Zwischendurch rast sie heim zur Familie nach Schwerin. An Hartnäckigkeit hat es der SPD-Ministerin nie gefehlt, nun aber läuft ihr die Zeit davon. Bis zur parlamentarischen Sommerpause, die übernächste Woche beginnt, wollte Schwesig ihr Gesetz in die Verbändeanhörung bringen. Denn von Herbst an dürfte eine Einigung über ein so kontroverses Vorhaben unmöglich werden. Schwesigs letztes Projekt, die Lohngerechtigkeit, könnte also scheitern. Will die Ministerin das verhindern, wird das Gesetz den Weg durch den Bundestag wohl nur schaffen, wenn es stark verändert wird. Das liegt aber nicht nur an der Sache. Es geht dabei auch um die Person Manuela Schwesig.

Die Familienministerin war lange eine Frau, der keine Nuss zu hart zu sein schien. Sie erkämpfte die Frauenquote, Geld für Alleinerziehende, für Kitas, alles gegen die Union. Nächste Woche wird die Mutterschutzreform verabschiedet und das Prostituiertenschutzgesetz, noch so ein Schwesig-Baby, wenn auch unter Qualen geboren. Und jetzt? Soll erst mal Schluss sein mit lustig, ist aus der Union zu hören, Schwesig kriege doch den Hals nicht voll. Bei manchen Beobachtern, meist sind es Männer, wecken die gestanzten Sätze der Ministerin Aggressionen. Zum einen wohl, weil sie mit Schwesig den Verlust eines Privilegs verbinden: beruflichen Erfolg haben zu können und trotzdem Kinder. Zum anderen aber wird Schwesig auch belächelt. Denn wer will, kann hinter ihrem Entschlossenheitspanzer auch Unsicherheit ausmachen - und eine Persönlichkeit, die anfechtbar wirkt, weil sie so wenig von sich preisgibt. So eine will und darf sich keine Fehler erlauben. Was nicht heißt, dass ihr keine unterlaufen.

Mitte Juni etwa zog ein Shitstorm durchs Land. Vor einem Berliner Gericht wehrte sich das Model Gina-Lisa Lohfink gegen den Vorwurf, sie habe zwei Männer zu Unrecht wegen Vergewaltigung angezeigt. Durchs Netz geisterte ein Film, bei dem sie immer wieder "Hör auf" sagt, während die Männer Sex mit ihr haben. Dass die Frau jetzt wegen falscher Beschuldigung Strafe zahlen soll, lässt die Empörungsmaschine anspringen, und Schwesig springt mit. "Wir brauchen die Verschärfung des Sexualstrafrechts ", sagt sie. "Ein 'Hör auf' ist deutlich." Der Justizminister lässt sich ähnlich zitieren, wie Schwesig ohne Kenntnis der Akten. Inzwischen wurde bekannt, dass mit "Hör auf" durchaus das Filmen gemeint sein könnte. Dann wäre es keine Vergewaltigung - und der Hinweis aufs Sexualstrafrecht verfehlt. Hat Schwesig sich also vorschnell an einem Shitstorm beteiligt? Keineswegs, sagt ihre Sprecherin. Die Verquickung der Causa Gina-Lisa Lohfink mit der Reform sei nicht intendiert: "Wir haben uns zur Verschärfung des Strafrechts geäußert, nicht zum Einzelfall."

Sie kann Druck aufbauen. Aber nicht sagen, wann ihr Gesetz kommt

Es lief schon einmal besser, aber Schwesig wäre nicht Schwesig, würde sie klein beigeben. Zurück also ins Hotel Park Inn am Alexanderplatz, wo die Ministerin am Donnerstag einen Erfolg verkündet, mal wieder: Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten prüft 3500 Tarifverträge auf Lohngerechtigkeit, bei Benachteiligung werden sie neu ausgehandelt. Schwesig lobt und rasselt einen Fünf-Punkte-Plan herunter, wie die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zu verkleinern sei. Sie kann das, im Staccato Druck aufbauen. Was sie nicht kann, ist sagen, wann ihr Lohngerechtigkeitsgesetz endlich kommt. Auf die Zeit vor der parlamentarischen Sommerpause, also jetzt, will sie sich nicht mehr festgelegen. "Für mich gibt es keine Sommerpause", sagt sie, das Kabinett könne den Gesetzentwurf doch jederzeit beschließen.

Mal sehen, Zeitplan offen, so klingt das auch bei der Kanzlerin, die kürzlich erklärte, sie hoffe, "das Ganze auch abschließen zu können". Das hörte sich nicht gerade euphorisch an; dem Vernehmen nach ist Angela Merkel skeptisch. Bleibt noch SPD-Chef Sigmar Gabriel, der immerfort versichert, wie wichtig Lohngerechtigkeit ihm sei, dafür bislang aber keinen Koalitionskrach riskiert. Gabriel könne ja nicht mit Atombomben drohen, heißt es in der SPD-Zentrale, und dass man Schwesig keinesfalls im Regen stehen lasse. Die Ministerin drückt das etwas anders aus. "Wir dürfen jetzt nicht den Druck rausnehmen", sagt sie wieder und wieder.

Es klingt wie eine Beschwörung.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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