Gentechnisch veränderte Lebensmittel:Essen nach Dolly

AquAdvantage

Der AquAdvantage-Lachs ist das erste genveränderte Tier, das verspeist werden darf.

(Foto: REUTERS)

In den USA darf nun gentechnisch veränderter Lachs serviert werden - Kritiker warnen vor unkalkulierbaren Risiken.

Von Jan Heidtmann

Die eierlegende Wollmilchsau gehört seit jeher zu den Visionen der Züchter von Nutztieren. "Schwein // das Merinowolle trägt // und dazu noch Eier legt", so wurde das Fabelwesen in einem Gedicht in den 1950er-Jahren beschrieben. Was damals noch als reine Fiktion erschien, wird nun mehr und mehr zur Realität. Ende vergangenen Jahres war es zwar kein modifiziertes Schwein, das von der US-Lebensmittelbehörde FDA zugelassen wurde, aber immerhin ein Fisch. Der sogenannte Turbolachs ist gentechnisch so verändert, dass er schneller wächst als seine Artgenossen, gleichzeitig aber rund ein Viertel weniger Futter braucht.

Es war ein Durchbruch für die Gentechnik-Industrie, erstmals dürfen nach genetisch veränderten Pflanzen in den USA auch derartige Tiere auf den Tisch kommen. Doch es ist auch Menetekel, wie Harald Ebner, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Gentechnik, sagt: "Gentechnik-Tiere sind noch einmal eine ganz andere Dimension als Pflanzen wie Genmais. Ihre Ausbreitung ist noch viel weniger kontrollierbar."

Der Turbolachs steht in einer Reihe von gentechnisch veränderten Tieren einer neuen Generation. Lange vorbei die Zeiten der ersten manipulierten Mäuse (1974), der Versuche, gripperesistente Schweine zu schaffen (1980er- und 90er-Jahre) und auch des Klonschafs Dolly, mit dem erstmals die Kopie eines Säugetieres aus einer adulten Zelle kreiert wurde (1996). Ging es in dieser frühen Phase der Gentechnik vor allem darum, das Erbgut überhaupt zu verändern, wird nun wesentlich gezielter eingegriffen. Beim "Gen-Editing" zum Beispiel werden bestimmte Stellen der DNA präzise verändert, bei der Epigenetik wird gar in die Steuerung der Gene selbst eingegriffen. In anderen Fällen ist es nach Aussagen der Experten gar gelungen, künstliche DNA in das Erbgut einzufügen.

So versuchen die Wissenschaftler nicht nur, leistungsfähigere Tiere für die Fisch-, Fleisch- oder die Milchproduktion zu schaffen. Bei anderen Kreaturen geht es darum, Schädlinge wie die Olivenfliege auszurotten, die regelmäßig die Ernte zerstört. Dafür hat das US-amerikanische Unternehmen Oxitec eine Olivenfliege gentechnisch so verändert, dass sie die Population der Schädlinge vernichten soll. Nach massiver Kritik zog Oxitec seinen Antrag, die manipulierten Fliegen in Italien und Spanien freizusetzen, wieder zurück.

Angst vor TTIP

Dennoch besteht bei Kritikern dieser Verfahren die Sorge, "dass in den nächsten Jahren mehr und mehr gentechnisch veränderte Tiere geschaffen werden", wie das Testbiotech-Institut in seiner Studie "Gentechnik-Tiere: Risiko für Mensch und Umwelt" im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion schreibt. "Der Einsatz der Technologien wäre ein Albtraum für Lebensmittelwirtschaft und Verbraucher, weil sich die Risiken auch bei sorgfältiger Prüfung nicht ausschließen lassen."

Zwar behaupteten die beteiligten Gentechnik-Firmen, dass sie die Ausbreitung manipulierter Tiere wie dem Turbolachs oder den Olivenfliegen kontrollieren könnten. Dabei sei längst erwiesen, dass dies kaum möglich sei. Einmal freigesetzt seien die Folgen für das Ökosystem und den Menschen nicht mehr abzuschätzen. Das liege auch daran, dass die beteiligten Unternehmen bei ihrer Forschung einem zu simplen Ansatz folgten. Sie behandelten das Erbgut immer noch als einen festgeschriebenen Code, während in den Gen-Wissenschaften längst erwiesen ist, dass es sich ständig wandelt. Eingriffe könnten daher Veränderungen auslösen, die vorher nicht abzusehen sind. "Der Kapitalismus hat sich gewissermaßen eine eigene reduktionistische Version des Erbguts geformt", sagt der Verfasser der Studie, Christoph Then.

Im Unterschied zu den USA gibt es in der Europäischen Union noch keine Anträge auf eine kommerzielle Zulassung manipulierter Tiere. Vor dem Hintergrund des Turbolachses in den USA fordert Then jedoch, eindeutig klarzustellen, dass dies in der EU auch in Zukunft nicht möglich sein wird. Die andere Befürchtung ist, dass die gentechnisch veränderten Tiere durch die Hintertür in die EU eingeführt werden könnten - über Freihandelsabkommen. "Wir müssen in Abkommen wie TTIP und CETA ganz klar festschreiben, dass solche Zulassungen nicht durch gegenseitige Anerkennung von Standards plötzlich auch in Europa gelten", sagt Harald Ebner von den Grünen.

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