Malta:Unruhe im Archipel

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Die Enthüllungen der Panama Papers hatten zu Protesten geführt. (Foto: Darrin Zammit Lupi/Reuters)

Der Druck auf Maltas Regierung wächst, Neuwahlen sind angesetzt. Premier Muscat und seine Frau könnten in Off-Shore-Geschäfte und Schmiergeldzahlungen verwickelt sein.

Von Oliver Meiler, Rom

Malta sieht sich gern als "Herz des Mittelmeers". Damit lässt sich ganz gut werben, der Slogan hat ja auch etwas für sich. Malta liegt auf der Straße von Sizilien, einer Kreuzung zwischen Afrika und Europa. Ein Archipel mit drei kleinen, steinigen Inseln, ockerfarben mitten im großen Blau und bewohnt von einer halben Million Menschen. Die beiden Welten, Süden und Norden, spiegeln sich in der Landesküche, der Sprache, der Architektur, der Mentalität. Da kommt viel zusammen. Im Kopf aber sind die Malteser Europäer, nordwärts ausgerichtet und noch immer geprägt vom Nachlass der Briten, die das Land bis 1964 beherrschten. Seit 13 Jahren gehört es zur Europäischen Union. Malta ist der kleinste Mitgliedstaat, ein Herzchen am südlichen Rand der Union.

Zuweilen mutet es aber so an, als sei es eine andere, etwas bizarre Welt. Auch jetzt wieder, ausgerechnet, da Malta erstmals die Präsidentschaft der EU innehat. Das Herzchen rast. Die Malteser erleben einen Politthriller, wie er in der skandalerprobten Geschichte ihrer stets zerrissenen Politik noch nicht vorgekommen ist. Rührt man alle bisherigen Episoden zusammen, entsteht der Verdacht, dass prominente Figuren der maltesischen Regierung im großen Stil Schmiergeld kassiert haben. Der Druck ist so gewachsen, dass Maltas Premier, Joseph Muscat von der sozialdemokratischen Labour Party, der seit 2013 an der Macht ist, keinen anderen Ausweg mehr sah, als Neuwahlen anzusetzen, ein Jahr vor dem ordentlichen Termin - am 3. Juni. Noch bescheinigen die Umfrageinstitute Muscat einen knappen Vorsprung von vier Prozent. Denn Malta geht es eigentlich prächtig. Die Wirtschaft wächst; die Arbeitslosenquote ist so tief wie selten; der Staat hat zum ersten Mal seit 36 Jahren einen Budgetüberschuss. Doch das Polster der Gunst zerfranst nun ganz schnell. Stellt sich heraus, dass die jüngsten Vorwürfe wahr sind, dann ist Muscat weg. Sie betreffen seine Ehefrau.

Vorwurf: Auf ein Firmenkonto der Premier-Gattin sei eine Million Euro aus Aserbaidschan geflossen

Die Affäre begann im Februar 2016. Damals verkündete eine Journalistin und Bloggerin mit dem filmhaft schönen Namen Daphne Caruana Galizia, dass sich gerade ein großer Skandal entfalte. In seinem Zentrum stünden Muscats wichtigste Mitarbeiter: Konrad Mizzi, damals Energie- und Gesundheitsminister, und Keith Schembri, der Kabinettschef. Die Journalistin nahm vorweg, was einige Monate später aus den Panama Papers hervorging: Kaum im Amt, hatten Mizzi und Schembri Off-Shore-Firmen in Panama und Trusts in Neuseeland eröffnet. Ihr Berater war Brian Tonna vom Finanzdienstleister Nexia BT, der auch die maltesische Zweigstelle der panamaischen Treuhandfirma Mossack Fonseca leitete.

Die beiden Kabinettsleute bestritten, Unrechtes getan zu haben. Gemeldet hatten sie ihre Finanzinstrumente in der Ferne den Behörden jedoch nicht. Schembri blieb im Amt, Mizzi gab seine beiden Portfolios und den Vizevorsitz der Partei ab, hielt jedoch weiter seine Hand über Maltas Energiegeschäfte. Premier Muscat stellte sich schützend vor seine Vertrauten - auch dann noch, als die Malteser in Massen auf die Straßen gingen und den Rücktritt von allen dreien forderten.

Persönlich traf den Premier zunächst kein Vorwurf. Er dachte wohl, er könne den Skandal aussitzen. Vor zwei Wochen aber meldete sich die Bloggerin wieder und behauptete, die oft genannte panamaische Off-Shore-Gesellschaft Egrant Inc. gehöre in Wahrheit Michelle Muscat, der Frau des Premiers. So stehe es auf einer Akte, die in der Küche der maltesischen Pilatus Bank in einem Safe aufbewahrt worden sei. Das Papier, sagte Caruana Galizia, sei ihr von einer früheren Bankangestellten zugespielt worden, einer Russin, die es gescannt habe und nun als Whistleblowerin mit der Justiz arbeite. Damit es nicht zerstört werden könne, habe sie es nun in ihrer Datencloud gespeichert, verriet Caruana Galizi. Es stünden darauf Name, Geburtsdatum und Geburtsort von Muscats Gattin.

Die Anschuldigungen sind brisant: Auf einem Konto der Egrant Inc. bei der Pilatus Bank, schreibt die Journalistin, sei Anfang 2016 unter anderem eine Million Euro eingegangen. Einbezahlt habe das Geld Leyla Aliyeva, die Tochter des aserbaidschanischen Herrschers Ilham Aliyev, des Hauptkunden der Pilatus Bank. Man erinnerte sich in Malta nun daran, dass Muscat und seine Kabinettsfreunde in den vergangenen Jahren zweimal nach Baku gefahren waren, um dort über einen Energiedeal zu verhandeln. Eine dieser Reisen war nur halb offiziell: Die maltesische Presse, die sonst bei Auslandreisen immer mitfliegt, wurde nicht einmal informiert.

Am Abend nach den Enthüllungen über die Egrant Inc. filmte eine Crew des Senders Net TV, wie der Chef der Pilatus Bank, ein Iraner, und die Risikomanagerin der Bank, eine Malteserin, das Institut durch eine Seitentüre verließen. Sie trugen eine Aktentasche und zwei Koffer, über deren Inhalt viel gemutmaßt wurde: War Geld darin? Kundendaten? Beides? Der Bankdirektor behauptete, er sei gerade von einer Reise nach Washington DC zurückgekehrt, die Koffer seien voller Kleider.

Auch Keith Schembri ist wieder in den Schlagzeilen. Der Stabschef soll von drei Russen, die sich um den Kauf der maltesischen Staatsbürgerschaft beworben haben, mit fast 167 000 Euro bestochen worden sein. Nun droht ihm ein Strafverfahren. Den angeblichen Beweis für die Zahlungen erhielt der Untersuchungsrichter vom Oppositionschef, Simon Busuttil, Muscats wichtigstem Rivalen.

Das politische Klima ist vergiftet, zerfressen von Spekulationen und Komplotttheorien. Muscats Beschluss, die Wahlen vorzuziehen, wirkt dabei wie eine Wette gegen die Zeit. Vor der Auberge de Castille, dem barocken Regierungspalast in Valletta, haben wieder Tausende Gegner protestiert. Auf ihren Plakaten stand "Barra Issa", das ist Maltesisch und heißt "Raus jetzt." Auf anderen Bannern stand "Kriminali", die Übersetzung erübrigt sich. Das Maltesische ist übrigens eine melodiöse Sprache, ein schöner Mix mit arabischen, hebräischen, italienischen und englischen Einflüssen. Fast schon eine Weltsprache - nur eben von einer kleinen, eigentümlichen Welt.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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