Mai-Randale in Berlin:"Gewalttäter sukzessive rausholen"

Berlins Innensenator Körting über den Umgang mit den jährlichen Mai-Randalen und die ausbleibende Hilfe der anderen Bundesländer.

Interview: C. von Bullion

Für den 1. Mai sind in Berlin 40 Demonstrationen angemeldet. Autonome wollen einen Aufmarsch der NPD blockieren, auch Kirchenleute und Senatoren werden gegen die Rechtsextremisten auf die Straße gehen. Im Stadtteil Kreuzberg droht mal wieder Krawall, die CDU befürchtet eine Kapitulation vor der Gewalt. Nach schweren Auseinandersetzungen im vorigen Jahr wollen etliche Bundesländer keine Polizisten mehr nach Berlin schicken. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) über Vermummte, Verletzte und die Frage, ob man ihm eine Lektion erteilen will.

Berlin, 1. Mai, Krwawalle, Erhardt Körting, dpa

Im vergangenen Jahr gab es in Berline so heftige Ausschreitungen wie schon lange nicht mehr.

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SZ: Herr Körting, nach relativ ruhigen Jahren sind die Mai-Proteste im vorigen Jahr wieder eskaliert. Ist jetzt Schluss mit der Zurückhaltung der Polizei?

Ehrhart Körting: Es gibt keine Alternative zum Konzept der ausgestreckten Hand. Solange die Kommunikation möglich ist, ist sie das geeignete Mittel der Auseinandersetzung. 2009 waren die Demonstranten aber noch nicht losgelaufen, da haben einige schon Vermummung angelegt und erste Angriffe gestartet. Die Ausschreitungen waren sehr viel massiver als wir es die Jahre vorher erlebt hatten. Daraus haben wir Konsequenzen gezogen.

SZ: Geplant ist ein "offensiver Einsatz konfliktmindernder und gewaltdämpfender Maßnahmen". Was bedeutet das?

Körting: Es bedeutet, präventiv Konflikte zu verhindern. 2009 führte die "Revolutionäre-1.-Mai-Demo" durch das "Myfest" in Kreuzberg. Das Straßenfest blieb friedlich, aber eine Vielzahl von Leuten schloss sich mit der Bierflasche der Demo an. Auf diese Weise haben sich viele unseren Vorkontrollen entzogen. Das wird dieses Mal anders. Der Zug nimmt eine andere Route und wir werden schon im Vorfeld offensiv Gewalt abschöpfen. Die Polizei wird ausreichend beim Start der Demo präsent sein. Wenn es gleich zu Gewalt kommt, muss sie sich überlegen, die Versammlung aufzulösen.

SZ: Dann gibt es erst recht Krawall.

Körting: Es führt natürlich nicht dazu, dass die Leute fröhlicher werden. Aber wenn die Demonstration nur noch aus Gewalt besteht, hat sie keinen Anspruch mehr, nach dem Versammlungsrecht behandelt zu werden. Dann muss jeder Gewalttäter sukzessive rausgeholt werden.

SZ: Ist die Taktik der Polizei gescheitert, auf martialisches Auftreten und Wasserwerfer zu verzichten?

Körting: Die Wasserwerfer sind aus der Sicht der Polizeiführer, die vor Ort zu entscheiden hatten, nicht angefordert worden, weil es nichts nutzt, eine gewalttätige Menge von einer Straße in die andere zu treiben. Es mag eigenwillig klingen, aber der Polizei ist es am letzten 1. Mai in hervorragender Weise gelungen, die Auseinandersetzung räumlich eng zu begrenzen. Sicherlich auch mit verletzten Polizeibeamten, aber auch mit der Festnahme von 289 Gewalttätern.

SZ: Es wurden 479 Polizisten verletzt, so viele wie seit Jahren nicht mehr.

Körting: Ja, es wurden aber auch extrem viele Gewalttäter festgenommen. Zu Verletzungen kommt es ja oft bei Festnahmen. Jede Verletzung ist eine zu viel, aber man muss auch sehen, dass glücklicherweise fast alle verletzten Beamten im Dienst verblieben sind.

SZ: Mecklenburg-Vorpommern, dessen Polizei 2009 mit Brandsätzen beworfen wurde, schickt keine Beamten mehr. Auch Sachsen, Thüringen und Bayern haben abgesagt. Wollen die ihre Leute nicht mehr in Berlin verhauen lassen?

Körting: Es ist nicht so, dass einzelne Bundesländer abgesagt haben. Es gibt ein Verfahren, bei dem sich alle Länder in einer Besprechung verständigen, wo sie wen unterstützen. Im Übrigen muss ich zur Kenntnis nehmen, dass viele Länder keine Kräfte entbehren können. Am 1. Mai gibt es bundesweit acht rechtsextremistische Versammlungen und eine Vielzahl von Fußballspielen. Thüringen musste selbst Unterstützung aus Hessen anfordern, in Bayern demonstrieren an zwei Orten Rechtsextremisten.

SZ: Bindet das wirklich alle Kräfte? Oder wollen die Kollegen Ihnen nach dem missglückten Einsatz im vergangenen Jahr auch eine Lektion erteilen?

Körting: Es geht nicht nach dem Lustprinzip. Wir haben eine Vereinbarung, dass die Bereitschaftspolizeien der Länder sich bundesweit unterstützen. Wenn Niedersachsen Polizei für Gorleben anfordert, ein harter Einsatz, fährt die Berliner Polizei hin. Sie hat ja den Ruf, sehr konsequent zu sein. Selbstverständlich waren wir in Dresden, als da Rechtsextremisten marschierten. Beim G-8-Gipfel in Heiligendamm standen die Berliner in den schwersten Auseinandersetzungen in Rostock. Da flogen Gehwegplatten.

SZ: Und jetzt lässt man Sie im Stich?

Körting: Ich habe in all den Jahren keinen Zweifel an der Solidarität der Bundesländer gehabt.

SZ: In Berlin soll die Demonstration der NPD durch Prenzlauer Berg führen. Droht dort nicht besonders viel Ärger?

Körting: Egal, wo die Rechten laufen - ich befürchte, dass an dieser Strecke am meisten Störmanöver versucht werden.

SZ: Es kommen da aber nicht nur Autonome hin. Es haben sich auch Senatoren, die Spitzenvertreter der beiden Landeskirchen und die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde angesagt.

Körting: Ich gehe nicht davon aus, dass von Kardinal Sterzinsky Gewalt ausgeht. Aber die martialische Sprache einiger Aufrufe und das, was die Antifaschistische Linke Berlin nach der Demonstration in Dresden ins Internet gestellt hat, spricht von großer Militanz. Da sind die Grenzen dessen erreicht, was ich in einem demokratischen Rechtsstaat zulassen kann. Ich finde es toll, wenn viele Bürger zeigen, dass sie mit Rechtsextremisten nichts zu tun haben wollen. Aber wenn einige demonstrieren und gleichzeitig den anderen dieses Grundrecht nicht zubilligen, ist das problematisch.

SZ: Auf was müssen sich Randalierer gefasst machen?

Körting: Darauf, dass die Polizei die Grundrechte aller schützen muss.

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