Magdeburg:Ratlos einig

EKD-Synode - Festgottesdienst

Bis Mittwoch berät die Synode in Magdeburg. Der Eröffnungsgottesdienst im Dom St. Mauritius stand unter dem Motto "So werdet ihr leben".

(Foto: Peter Gercke/dpa)

Die Synode der Evangelischen Kirche redet über Rechtspopulisten. Doch Vorurteile gegen Juden, Muslime und Homosexuelle gibt es auch in den eigenen Gemeinden.

Von Matthias Drobinski, Magdeburg

Es ist ein Politiker, der an diesem Montagmorgen die im Magdeburger Maritim-Hotel zur Synode versammelten Protestanten ernüchtert - nach der fröhlichtrunkenen Eröffnung des großen Reformationsjahres, wo man von allen Seiten gesagt bekam, wie wichtig die Kirchen für Staat und Gesellschaft seien. "Ich erlebe das Christentum nicht nur als etwas Verbindendes", sagt Michael Roth in die Runde, "ich erlebe Staats- und Regierungschefs, die unter Bezugnahme auf das Christentum Abschottung praktizieren." Der SPD-Politiker Roth ist Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt; er sitzt oft in Brüssel in "furchtbaren Sälen", wie er sagt, das aber sei sehr viel besser, als Konflikte per Krieg auszutragen. Die Kirchen seien dabei nicht nur Partner, sagt er. Er habe zum Beispiel nicht den Eindruck, dass in Polen das, was der Papst über Flüchtlinge sage, "auf großen Widerhall stößt".

Tags zuvor hat Heinrich Bedford-Strohm die Kirchenparlamentarier mitgerissen, der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Klare Kante gegen Rechtspopulismus, Fremdenfeindschaft und Nationalismus! Das tat gut und einte die Versammelten. Am Morgen danach, als das evangelische Kirchenparlament über Europa, die Solidarität und die wachsenden rechten Bewegungen diskutiert, sieht das weniger eindeutig aus. Die als Impulsgeberin geladene schwedische Erzbischöfin Antje Jackélen berichtet, dass mittlerweile Gruppen in den Gemeinden die Kirchenleitung als unchristlich ansehen, weil sie nicht gegen den Islam Front macht. Eine Studie im Auftrag der EKD über "Kirchenmitgliedschaft und politische Kultur", verschämt versteckt in den Tagungsunterlagen, kommt zu dem Ergebnis, dass es auch in Kirchengemeinden Vorurteile gegenüber Juden, Muslimen, Homosexuellen gibt. Die Fremdenangst wohnt nicht irgendwo weit weg, sondern nebenan.

Die EKD hat auch eine Studie des eigenen sozialwissenschaftlichen Instituts darüber finanziert, wie die Deutschen Europa sehen. Die meisten, so das Ergebnis, fühlen sich als Europäer, aber das Misstrauen gegenüber europäischen Institutionen ist groß: Nur ein Drittel der über 40-Jährigen vertraut ihnen; 86 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die EU vor allem den Unternehmen nützt und nicht den kleinen Leuten. Entsprechend fordert der Entwurf für die Kundgebung, die zum Schluss der Synode verabschiedet werden soll, ein sozialeres Europa, das sich den barmherzigen Samariter zum Vorbild nimmt, der dem unter die Räuber gekommenen Fremden half - ein Europa als Friedensprojekt, das sich seiner Wurzeln und Werte bewusst ist.

Schön - doch was, wenn die Abgrenzungen und Egoismen in Europa im Trend sind? Die Kirchen müssen Dialog und Begegnung organisieren, sagt Frère Alois von der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. Wenn in Taizé Russen und Ukrainer miteinander reden, beten, singen, bleiben sie nicht Feinde. Ja, gut, sagt Antje Jackélen, aber wo endet dieser Dialog? Sie gesteht eine "gewisse Machtlosigkeit" ein. Die Demokratie müsse immer wieder "mit Werten gefüttert" werden, sagt sie - ein mühsames Geschäft. Wir müssen von dem reden, was gelingt, sagt der Staatsminister Roth. Es ist ja nicht alles Problem in Europa.

Große Debatten gibt es nicht in Magdeburg - vor 20 Jahren haben sich Deutschlands Protestanten bei solchen Gelegenheiten auch schon sauber verkracht. Heute scheint alles so klar wie schwierig zu sein, man versteht sich über die Strömungen hinweg und scheut den Streit. An einem Punkt hätte es ihn geben können: Der evangelikale Pressedienst Idea bekommt jährlich 130 000 Euro EKD-Zuschuss - doch das gefällt vielen Synodalen nicht: In ihren Augen ist die Agentur islamfeindlich und manchmal auch in der Grauzone zum Rechtsradikalen angesiedelt. Das große Thema, wie die Kirche mit Rechtspopulisten in den eigenen Reihen umgehen soll, wäre dann über einen kleinen Haushaltsposten ausdiskutiert worden. Doch auch hier passierte bei den Haushaltsberatungen - nichts.

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