Männer-Domäne Verfassungsgericht:Schneewittchen-Senat

Das oberste deutsche Gericht wird von Männern dominiert.

Helmut Kerscher

Bald ist er wieder da. Ähnlich wie seine Namensgeberin, die schöne Königstochter bei den sieben Zwergen, hatte man ihn lange für tot gehalten. "Schneewittchen-Senat" nennen Spötter den achtköpfigen Senat des Bundesverfassungsgerichts, wenn ihm nur eine einzige Frau angehört. Das ist jetzt wieder der Fall. Am Donnerstagmorgen wird der Wahlausschuss des Bundestags einen Mann, den BGH-Richter Wilhelm Schluckebier, zum Nachfolger der Verfassungsrichterin Evelyn Haas bestimmen. Damit bleibt im Ersten Senat als einzige Frau, sozusagen als Schneewittchen, Christine Hohmann-Dennhardt zurück.

Solche Zustände schienen seit einigen Jahren der Vergangenheit anzugehören - zumal der Frauenanteil in der Justiz bis zu 35 Prozent beträgt. Spät regte sich Widerstand gegen die absehbare Entwicklung. So forderte der Deutsche Juristinnenbund in der vergangenen Woche die Union auf, "eine hochkarätige Frau aus der Bundesrichterschaft zur Wahl zu stellen". Es fehle nicht an qualifizierten Kandidatinnen. Auch in der CDU/CSU, die nach einer alten Absprache zwischen den großen Parteien dieses Mal das Vorschlagsrecht hat, wurden Frauen auf die "Entfeminisierung" des höchsten deutschen Gerichts aufmerksam - und darauf, dass von den bisher elf Verfassungsrichterinnen nur eine auf Vorschlag der Union ins Amt kam.Das war die scheidende Evelyn Haas im Jahr 1994.

Kein Rumoren der CDU-Frauen

Lange war die jeweils einzige Verfassungsrichterin von der SPD vorgeschlagen worden, welche in Jutta Limbach auch die erste Präsidentin des Gerichts stellte und in Justizministerin Brigitte Zypries die nächste durchsetzen möchte. Dass die SPD Ende 2004 einen Mann als Nachfolger der Richterin Renate Jaeger aussuchte, ließen ihr viele Frauen noch durchgehen. Immerhin wechselte Jaeger an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wo sie einen Mann ablöste. Was die von der Union beanspruchte Haas-Nachfolge anging, so galt zunächst BGH-Richterin Monika Harms als Favoritin; ihr Kollege Schluckebier war als Generalbundesanwalt im Gespräch.

Als sich Harms überraschend für das Amt der Chefanklägerin entschied, stellte die Union nach der ersten Bundeskanzlerin auch die erste Generalbundesanwältin. Dafür wird es also demnächst keine einzige von der Union vorgeschlagene Verfassungsrichterin geben. Die Bundestagsfraktion nimmt das in Kauf. Ihr Justitiar Hermann Gröhe hat von einem Rumoren der CDU-Frauen nichts gehört und findet die jetzige Lösung sehr gelungen.

Schluckebier befasste sich nach einem Gastspiel im Kanzleramt unter Helmut Kohl bei der Bundesanwaltschaft und beim Bundesgerichtshof ausschließlich mit Strafrecht. Die einen sehen darin ein Manko, weil er im Verfassungsgericht ja nun für Wirtschaftsrecht zuständig sei. Andere rechnen ihm dies als Pluspunkt an, weil der Erste Senat immer wieder über Ermittlungsmethoden zu entscheiden habe, wie zuletzt über den Großen Lauschangriff oder über die Rasterfahndung. Bei Abstimmungen wird Schluckebier wohl so konservativ sein wie Haas. Sie fiel vor allem durch abweichende Meinungen auf. So bescheinigte sie im Mai der Senatsmehrheit, diese mache den Staat gegenüber drohenden Terrorangriffen "weitgehend wehrlos".

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