Mächtige von morgen (8): Dirk Niebel:Gewichtiger General

Dirk Niebel hat es mit Leistungsbereitschaft beruflich wie politisch zu etwas gebracht. Inzwischen sieht er sich selbst als Leistungsträger und offenbart so einen zentralen Charakterzug: gut ausgeprägtes Selbstbewusstsein.

Bernd Oswald

"Meine größte Schwäche ist die Stärke, die mir die Waage anzeigt". Dirk Niebel versteht es wie kaum ein anderer mit seinem Gewicht zu kokettieren. Er isst gern - aus Lust und aus Frust, insofern ist es gerne mal etwas zu viel, auch wenn Niebel joggt und schon Diäten eingelegt hat. Schon als Kind hatte er Probleme mit zu vielen Pfunden, weswegen er gehänselt wurde: "Dirk war dick und wurde Dick oder Dicki genannt", schrieb seine ehemalige Klassenkameradin Bettina Röhl in einem Beitrag für Cicero.

Dirk Niebel nach seiner Wahl zum FDP-Generalsekretär im Mai 2005

Dirk Niebel nach seiner Wahl zum FDP-Generalsekretär im Mai 2005. Vielleicht noch nicht der Endpunkt seiner Karriere.

(Foto: Foto: AP)

Seit er vor zwei Jahren zum FDP-Generalsekretär gewählt wurde, bringt Dirk Niebel auch politisches Gewicht auf die Waage. Eine ganze Menge, wie er findet, denn er möchte nicht mehr Hoffnungsträger genannt werden, sondern sieht sich als Leistungsträger. Womit man bei einem weiteren Niebelschen Charakterzug ist: gesundes Selbstbewusstsein.

Auch wenn er es nicht direkt sagt: Er ist stolz darauf, mit 42 Generalsekretär geworden zu sein und nach nur wenigen Monaten im Amt einen Beitrag zu den 9,8 FDP-Prozent bei der Bundestagswahl 2005 geleistet zu haben. In der Tat hatte er eine steile Karriere hingelegt: 1998 in den Bundestag gekommen, gleich arbeitsmarktpolitischer Sprecher seiner Fraktion geworden, später Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe, schließlich Generalsekretär.

Auch in seinem Leben vor der Politik zeigte er Fleiß und Leistungsbereitschaft: Nachdem die gymnasiale Karriere wegen einer Sechs in Latein ("da war nichts zu machen") vorzeitig endete, machte Niebel die Mittlere Reife. Dann holte der das Abitur an einem Fachgymnasium nach. Es folgten ein Jahr in einem israelischen Kibbuz, acht Jahre als Berufssoldat, ein Verwaltungswesen-Studium an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Mannheim, schließlich fünf Jahre als Arbeitsvermittler beim Arbeitsamt Heidelberg.

Die Leistung des Individuums ist also eine ganz zentrale Kategorie seines Denkens - privat wie politisch. Dass die Menschen in diesem Land nicht so viel leisten, wie sie vielleicht könnten, oder sich das gar nicht zutrauen, liegt am Staat, gar am Staatsdirigismus, findet Niebel - ganz deckungsgleich mit der offiziellen FDP-Linie. Niebel geht sogar so weit zu sagen: "Das Leben wird für einen gelebt", um im gleichen Atemzug eine selbstironische Pointe anzusetzen: "Wenn sich die Bundesregierung endlich einmal eine Meinung zu gesunden Lebensmitteln bildet, dann kann ich mich vor den Spiegel stellen und sagen: Ich hab zwar jetzt viele Jahre Probleme mit meinem Gewicht gehabt, aber endlich tut die Regierung was dagegen."

Humor hat der 44-Jährige in der Tat, mehr als viele Politikerkollegen. Das zeigt sich auch bei der Frage nach seinen weiteren politischen Ambitionen. "Der Generalsekretär der Freien Demokratischen Partei zu sein, ist das schönste Amt, das ich mir vorstellen kann", sagt er - und muss selbst lachen. Die "schönsten Ämter, die man sich vorstellen kann", sind ja in Mode gekommen seit Franz Müntefering den SPD-Vorsitz als schönstes Amt nach dem Papst bezeichnet hat. "Ich bin leider nicht katholisch, deswegen kann ich nicht Papst werden", greift Niebel das berühmte Bonmot auf.

Immerhin räumt er ein, dass sein Posten als Generalsekretär "eindeutig zeitlich begrenzt" sei, schon allein "aufgrund der Intensität der Aufgabe" - und da schwingt auch ein bisschen Selbstlob mit.

Und doch ist der Posten des Generalsekretärs ein Sprungbrett für mehr, wie sich an Niebels Vorvorgänger Guido Westerwelle zeigt. Dem arbeitet er nun seit zwei Jahren zu, loyaler als anfangs gedacht, wie Beobachter bemerken. Und doch könnte Dirk Niebel Westerwelle eines Tages gefährlich werden.

Zum Beispiel dann, wenn es die FDP auch 2009 nicht schaffen sollte, mit an die Macht in Berlin zu kommen. Dann wäre Niebel neben Andreas Pinkwart aus Nordrhein-Westfalen ein ernsthafter Kandidat für den Parteivorsitz. Und wenn die Liberalen wieder in die Bundesregierung zurückkehren sollten, hat Niebel ungleich bessere Aussichten: Dann gibt es viele Ämter zu verteilen. Als ministrabel gilt der gebürtige Hamburger in seiner Partei allemal, von seiner politischen Vita her würde er am ehesten ins Arbeits- oder Wirtschaftsministerium passen.

Aufsehenerregendes Treffen mit der CDU

Wenn er sich auch nicht zu Ämtern und Posten äußern mag: Ans Regieren denkt Dirk Niebel allemal. Erst kürzlich initiierte er ein Treffen zwischen ausgewählten Unions- und FDP-Bundestagsabgeordneten. Zu Zeiten der rot-grünen Koalition war das kein großes Thema, nun, da CDU und CSU mit der SPD regieren, sorgt das für großes Aufsehen.

Niebel versuchte das alles herunterzuspielen: Es handle sich um ein völlig normales Treffen, das nur der Klimapflege diene. Er merkte aber auch an: "Wer irgendwann miteinander regeren will, braucht eine persönliche Gesprächsbasis." Der FDP-General macht keinen Hehl daraus, dass er am liebsten mit CDU und CSU regieren würde. "Bei aller Kritik an der Sozialdemokratisierung der Union gibt es mit ihr immer noch die größten inhaltlichen Schnittmengen". Sagt der Mann, der in ganz jungen Jahren Mitglied der CDU war.

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