Machtkampf in Russland:Luschkow: Unterdrückung wie zu Stalin-Zeiten

Brief mit mutmaßlichen Folgen: Am Abend vor seiner Entmachtung hatte der Moskauer Bürgermeister einen Brief an den russischen Präsidenten Medwedjew geschrieben - und ihm schwere Vowürfe gemacht.

Es ist nicht so, dass Jurij Luschkow der Ruf eines Ehrenmanns vorauseilt. Er gilt als selbstherrlich und autoritär, als Lebemann. Zuletzt drangen massive Korruptionsvorwürfe gegen den 74-jährigen Moskauer Bürgermeister und seine Frau, die Bauunternehmerin Jelena Baturina, an die Öffentlichkeit.

Dass sich gerade jemand wie er mit Verve für Meinungsfreiheit einsetzt, erstaunt da zunächst: Am Mittwoch veröffentlichte die regierungskritische Wochenzeitschrift Nowoje Wremja - The New Times einen Brief auf ihrer Internetseite, in dem der am Dienstag geschasste Bürgermeister mangelnde Demokratie in Russland beklagt.

Der entlassene Moskauer Bürgermeister warf dem Präsidenten Dmitrij Medwedjew vor, in Russland ein Klima der Unterdrückung wie zu Stalin-Zeiten zu unterstützen.

Seit der Herrschaft Stalins herrsche in Russland Angst, eine Meinung zu äußern, schrieb Luschkow in dem Brief. "Wenn die Führer des Landes diese Angst bestärken, kommt man leicht in die Lage, in der ein Land nur einen Führer hat, dessen Worte in Stein gemeißelt sind und dem man ohne Murren folgen muss", hieß es darin weiter. "Wie passt das zu Ihrer Forderung nach der 'Entwicklung von Demokratie'?"

Der Zeitschrift zufolge wurde Luschkows Brief dem Chef von Medwedjews Präsidialamt, Sergej Naryschkin, am Montagabend zugestellt. Am Dienstagmorgen entzog der Staatschef Luschkow das Vertrauen und setzte ihn ab. Medwedjew habe den Brief zwar gekannt, sein Inhalt habe seine Entscheidung aber nicht beeinflusst, stellte Kreml-Sprecherin Natalja Timakowa klar.

Der Entlassung waren seit Wochen schwelende Spannungen zwischen Luschkow und Medwedjew vorausgegangen. Der mächtige Regionalpolitiker hatte Medwedjew wiederholt angegriffen und gefordert, bei den in zwei Jahren anstehenden Wahlen müsse ein stärkerer Staatschef gewählt werden. Der Kreml wirft Luschkow vor, mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2012 einen Keil zwischen Medwedjew und Ministerpräsident Wladimir Putin treiben zu wollen.

Luschkow hatte 18 Jahre lang die Stadt regiert - nun soll sein enger Mitarbeiter Wladimir Resin die Amtsgeschäfte übernehmen.

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