Machtkampf in Nordkorea:Hinrichtung als Schlag gegen Peking

Lesezeit: 2 min

Medienberichterstattung zu Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und seinem Onkel Jang Song Thaek, der hingerichtet wurde (Foto: Getty Images)

Eigentlich ist ein Putsch in Nordkorea undenkbar. Doch Kim Jong Un fürchtet offensichtlich einen Staatsstreich, auch China scheint er zu misstrauen. Mit der Hinrichtung seines Onkels, bisher der Kontaktmann zur Volksrepublik, unterstreicht Kim seine Machtposition.

Ein Kommentar von Christoph Giesen

Kim Jong Un ist ständig unterwegs, ganz wie der Vater und der Großvater. Im Schlepptau hat er stets die wichtigsten Politiker des Landes. Das Erteilen von Ratschlägen an allen möglichen Orten ist eine durchaus übliche Art des Regierens in Nordkorea. Der junge Diktator erklärt gestandenen Ingenieuren, wie sie Maschinen bauen müssen, Köchen bringt er neue Rezepte bei, und als er das erste Fitnessstudio in Pjöngjang einweihte, empfahl er, überall Spiegel aufzuhängen, damit die Athleten ihre Muskeln bewundern können. Der junge Kim - der starke neue Mann im Land.

Schaut man sich die Beratungsorte jedoch genau an, fällt auf: Die Hauptstadt verlässt Kim Jong Un kaum, nur selten lässt er sich in der Provinz blicken, im Ausland ist er seit dem Tod seines Vaters vor zwei Jahren überhaupt noch nicht gewesen. Und das hat offenbar einen Grund: Er fürchtete sich vor einem Staatsstreich.

In Nordkoreas Geschichte ist bisher nur ein Putschversuch verbrieft. Nachdem sich Nikita Chruschtschow 1956 von seinem Vorgänger Stalin distanziert hatte, versuchten auch in Nordkorea Reformer, den Staatsgründer Kim Il Sung abzusetzen. Der weilte damals auf Auslandsreise. Nun also der angeblich zweite Umsturzversuch. Diesmal vom Onkel Jang Song Taek.

Ein Putsch, das ist in Nordkorea eigentlich undenkbar. Nirgendwo auf der Welt ist der Führerkult so ausgeprägt. Die Nordkoreaner nennen Kim ehrfürchtig ihren "Obersten Führer" oder schlicht "den Marschall". Es muss also einen heftigen Machtkampf hinter den Kulissen gegeben haben. Und das offenbar mit chinesischer Beteiligung.

Spitzname "Jin Sanpang" (Kim, der Fettsack Nummer drei)

Die Volksrepublik ist Nordkoreas ökonomischer Schutzpatron. China liefert das Öl, die Autos und den Reis. 90 Prozent des Treibstoffs kommen aus China, 80 Prozent der Konsumgüter und 45 Prozent der Nahrungsmittel. Die chinesischen Statistiker geben ein Handelsvolumen von sechs Milliarden Dollar an. Für China ist das nicht viel, für Nordkorea beinahe alles. Sollten die Machthaber in Peking eines Tages die Unterstützung versagen, bräche die nordkoreanische Wirtschaft wohl umgehend zusammen.

Aber das macht Peking nicht. Das weiß auch der junge Diktator. China hat kein Interesse an einem Kollaps Nordkoreas. Aber hängt China an Kim Jong Un ?

Seit Jahren versuchen die Kader in Peking, ihre nordkoreanischen Genossen von Wirtschaftsreformen zu überzeugen, sie laden sie zu Erkundungsreisen zu sich ein und zeigen ihnen dann die Wolkenkratzer in den großen Städten. Onkel Jang war Nordkoreas Mann in China. Während der junge Kim zu Hause seine Macht konsolidierte, reiste Jang im vergangenen Sommer nach Peking. Er war es, der den Chinesen Land in einer Sonderwirtschaftszone verpachtete. Richtig ernst genommen hatte man Kim in China bis dato offenbar nicht: "Jin Sanwang" (König Kim III.) oder sogar "Jin Sanpang" (Kim, der Fettsack Nummer drei) waren als Spitznamen zu hören. Das dürfte sich nun wohl ändern.

© SZ vom 14.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: