Machtkampf in der SPD:Kurt Beck sieht "Halbverrückte" am Werk

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Ex-SPD-Chef Beck teilt aus: In einem Interview beschimpft er seine Partei-Rivalen indirekt und spricht erstmals über seinen Rücktritt - auch Altkanzler Schröder meldet sich zu Wort.

Der zurückgetretene SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat den Umgang in seiner Partei heftig kritisiert. "Wir duzen uns, wir nennen uns Genossen, aber wir verhalten uns nicht so", sagte Beck in einem Interview mit dem Magazin Stern. "Das muss wieder anders werden."

"An den Grenzen der psychischen Kraft" angekommen: Ex-SPD-Chef Kurt Beck. (Foto: Foto: ddp)

Er hoffe, "dass die nächsten Parteiführungen die Chance haben, vernünftig zu arbeiten und Konflikte offen auszutragen"; die Arbeit dürfe nicht von "Halbverrückten kaputtgemacht werden".

Während seiner Amtszeit hätten ihm, so Beck im Stern, "manche Parteifreunde Backsteine statt Brot in den Rucksack gepackt". Am Ende habe er eine "unerfüllbare Mission" gehabt.

Die neue SPD-Spitze habe bei der Bundestagswahl "eine gute Chance, aber das hätte man auch miteinander haben können", so Beck weiter. Auf die Frage, ob er Freunde in der SPD-Führung habe, sagte Beck: "Was ich Freund nennen würde, nicht. Bei Freunden bin ich sehr wählerisch."

Das Gespräch mit dem Stern ist das erste Interview, das Beck nach seinem Sturz vor zweieinhalb Wochen gab. Beck bestätigt, dass er "aus heutiger Sicht" eher nicht am SPD-Sonderparteitag teilnehmen werde, auf dem am 18. Oktober Franz Müntefering zu seinem Nachfolger gewählt werden soll. "Ich will vor allen Dingen nicht für irgendwelche geheuchelten Bilder herhalten. Dafür ist mir alles noch zu nah", sagte Beck.

"An den Grenzen der psychischen Kraft"

Das Verhältnis zwischen Beck und Müntefering ist auch nach ihrem Treffen am Freitag voriger Woche schwer beschädigt. "Mehr als dass man miteinander anständig und ordentlich reden kann, hat es nicht gebracht", sagte Beck.

Erstmals ließ er öffentlich erkennen, dass er Müntefering und Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Schuld an seinem Sturz gibt: "Ich weiß nicht, ob mein Rücktritt beabsichtigt war oder nur in Kauf genommen wurde." Gefragt, ob er sich von Steinmeier ausgetrickst fühle, antwortete Beck: "Nicht so sehr von ihm."

Zu seinem Rücktritt sagte Beck dem Magazin: "Ich bin mir sicher, dass ich richtig entschieden habe." Wäre er geblieben, hätte man ihm seine Würde genommen. "Man kann in diesem Geschäft viele Angriffe ertragen, aber wenn es an die Substanz geht, darf man nicht an dem Amt hängen."

Er hätte es sich nicht vorstellen können, "mal an die Grenzen der psychischen Kraft" zu kommen. "Wenn mir das Gleiche vor zehn Jahren passiert wäre, hätte ich gleich hinschmeißen müssen, weil ich in psychische Schwierigkeiten geraten wäre."

Heute schütze ihn ein "gewisses Maß an Selbstsicherheit." Auf die Frage, ob Politik krank machen könne, sagte Beck: "Ich bin sicher." "Natürlich" habe er auch Fehler gemacht, so Beck, einem Teil seiner Kritiker in Politik und Publizistik warf er allerdings "Maßlosigkeit" und "dümmliche Arroganz" vor.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Beck glaubt, dass Franz Josef Strauß heute chancenlos wäre und wie Altkanzler Schröder vehement den Vorwurf einer Intrige abstreitet.

Zum Spott über sein Äußeres sagte der SPD-Politiker: "Wenn das über eine Frau gesagt oder geschrieben worden wäre, wäre es blanker Sexismus gewesen." Im Vorwurf, ein Provinzler zu sein, stecke sowohl kulturelle wie soziale Herablassung.

Glaubt, dass Strauß heute keine Chance hätte: Kurt Beck (Foto: Foto: AP)

Er fürchte, dass es Politiker aus der Provinz künftig "sehr schwer" haben würden in der Bundespolitik. "Das halte ich für ganz schlimm. Das Spektrum von Leuten, die neue Ideen und Sichtweisen einbringen, wird immer enger."

Er frage sich manchmal, welche Chancen heute Herbert Wehner und Franz Josef Strauß noch hätten. "Ich fürchte: keine."

Unterdessen hat der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Verdacht von sich gewiesen, er habe zu Becks Rücktritt beigetragen. "Intrige? Das ist Quatsch", sagte Schröder der Zeit.

Erst am 10. September, also drei Tage nach dem Rücktritt Becks, habe er mit dem Spiegel über die Vorgänge in der SPD gesprochen. "Zu dem Zeitpunkt war die Messe am Schwielowsee bereits gelesen", betonte Schröder.

Schröder: "Wir wussten nicht, was los ist."

Am Rücktrittstag selbst habe er zusammen mit seiner Frau Doris die Ereignisse am Fernseher verfolgt. "Und wir wussten nicht, was los ist", sagte Schröder weiter.

In seinem Buch "Ein Sozialdemokrat", das an diesem Donnerstag in Berlin vorgestellt wird, schreibt Beck, über die "Kandidatenfrage" sei vor der offiziellen Verkündung in Einzelheiten berichtet worden, "die neben Beteiligten auch auf Gerhard Schröder verwiesen".

Im Gespräch mit der Zeit wundert sich Schröder über diese Darstellung und verweist auf einen an ihn gerichteten Brief Becks vom 10. September. Von einer Spur, die auf ihn verweise, sei darin nicht die Rede. Vielmehr habe Beck "für die Unterstützung und den Rat" gedankt.

Vehement widersprach der Altkanzler zudem Vermutungen, sein Comeback stehe bevor. Die "operative Politik ist vorbei, für alle Zeiten definitiv", sagte Schröder. Auch in den kommenden Bundestagswahlkampf werde er nur sehr zurückhaltend eingreifen. Wenn jemand Rat haben wolle, bekomme er ihn, "aber ich dränge mich keinem auf".

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