Luxemburgs Premier Juncker:"EU-Reformvertrag nicht vor 2010"

Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker warnt davor, Irland bei der Abstimmung unter Druck zu setzen.

Cornelia Bolesch

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker rechnet erst für Anfang 2010 mit einem neuen EU-Vertrag. Als Grund nannte er die immer noch ungeklärte Lage in Irland nach dem gescheiterten Referendum. Darauf könne es keine schnelle Antwort geben. "Wenn ich irischer Premier wäre, würde ich in den nächsten Monaten kein zweites Referendum abhalten", sagte Juncker vor dem European Policy Center.

Luxemburgs Premier Juncker: Jean-Claude Juncker hat keine schnelle Antwort auf die noch ungeklärte Lage in Irland.

Jean-Claude Juncker hat keine schnelle Antwort auf die noch ungeklärte Lage in Irland.

(Foto: Foto: AFP)

Der dienstälteste Regierungschef der Europäischen Union bringt damit offen zum Ausdruck, was Politiker und Diplomaten bereits seit einiger Zeit hinter verschlossenen Türen äußern. In Brüssel geht man inzwischen davon aus, dass Irlands Regierungschef Brian Cowen beim kommenden EU-Gipfel am 15. und 16. Oktober noch keinen Ausweg aus der europäischen Verfassungskrise aufzeigen kann, sondern stattdessen um mehr Geduld bitten wird. Irland ist das einzige EU-Land, in dem die Bevölkerung über den neuen Vertrag von Lissabon abstimmen konnte - mit einem für die Europäische Union fatalen Ergebnis. Am 12. Juni hatte eine Mehrheit der Iren die geplanten Reformen abgelehnt. Viele Bürger erklärten hinterher, sie hätten sich schlecht informiert gefühlt.

Irland will nicht noch einmal befragt werden

Um in Kraft zu treten, muss der Vertrag von Lissabon von allen 27 Mitgliedsländern ratifiziert werden. An einem zweiten Referendum in Irland führt deshalb kein Weg vorbei, soll das ganze Vertragswerk nicht endgültig scheitern. Allerdings gilt als sicher, dass den Iren vor einer zweiten Abstimmung Zugeständnisse gemacht werden müssten - etwa in Form zusätzlicher Garantien, dass Irland eventuell ganz aus der gemeinsamen Sicherheitspolitik aussteigen kann und dass es auch weiter mit einem eigenen irischen Kommissar rechnen darf.

Für Irland ist es nicht ungewöhnlich, zweimal über EU-Verträge abzustimmen. Doch auch früher hat man sich dabei Zeit gelassen. Diesmal müssen die Politiker besonders vorsichtig sein. Laut Umfragen lehnen es derzeit 70 Prozent der Iren ab, nochmals befragt zu werden. Zudem befindet sich das Land erstmals nach langer Zeit in einer wirtschaftlichen Flaute, was die Popularität der irischen Regierung nicht gerade steigert.

Solange die Ungewissheit andauert, gilt in der EU weiter der Vertrag von Nizza. Der ist aber in einem Punkt viel radikaler als der Vertrag von Lissabon. Laut Nizza muss die nächste Kommission, die im Herbst 2009 antritt, verkleinert werden. Die EU-Regierungen könnten das aber rückgängig machen. Sie könnten 2009 gemeinsam entscheiden, dass auch künftig jedes Land einen Kommissar stellen darf. Das würde vor allem die Iren freuen - und die Aussichten für ein zweites Referendum auf der grünen Insel wieder etwas rosiger erscheinen lassen.

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