Luxemburg:Schrittmacher des Datenschutzes

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Der EuGH verhandelt über Vorratsspeicherung - nach der für ungültig erklärten EU-Richtlinie stellen sich noch ungelöste Fragen. Zum Beispiel, ob die EU überhaupt zuständig ist.

Von WOLFGANG JANISCH, Luxemburg

Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jenes Urteil verkündet, das seinen Ruf als strenger Wächter des Datenschutzes begründen sollte: Er erklärte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig - wegen Verstoßes gegen europäische Grundrechte. Am Dienstag stand nun, wenn man so will, das Sequel im Programm: die mündliche Verhandlung über all die Fragen, auf die sich im 29-Seiten-Urteil vom 8. April 2014 keine Antworten finden. Zum Beispiel: Ist das Speichern von Telekommunikationsverbindungsdaten Unverdächtiger nach dem Spruch des EuGH überhaupt noch zulässig? Oder wollte das Gericht den Ländern, die in ihrer Mehrheit bis heute Vorratsdaten-Gesetze haben, das "anlasslose" Datensammeln gänzlich untersagen?

Deutschland steht mit seinem neuen Gesetz als Musterknabe da

Kaum verwunderlich, dass die lange Reihe der an dem Verfahren beteiligten Staaten geradezu beschwörend auf der Notwendigkeit beharrten, Terrorismus mithilfe der gespeicherten Daten zu bekämpfen. Schweden, dessen Gesetz zusammen mit jenem Großbritanniens in Luxemburg auf dem Prüfstand steht, machte geltend, auch nach dem EuGH-Urteil müsse eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung bleiben, wenn auf der anderen Seite der Zugang der Sicherheitsbehörden zu den Datenpools eingeschränkt werde. Großbritannien konnte dem Urteil ohnehin keine wirklich verbindlichen Kriterien entnehmen, auch nicht zur vorherigen richterlichen Kontrolle des Datenzugriffs: Manchmal seien die Anträge der Sicherheitsbehörden eben dringlich. Auch Tschechien und Dänemark pochten auf eine umfassende Speicherung, und Irland sowie Frankreich hielten die EU in Sachen Vorratsdatenspeicherung für unzuständig - weil es um Fragen der nationalen Sicherheit gehe.

In einem Punkt aber waren sich die meisten Staaten einig: Wenn überhaupt, dann könne die EU-rechtliche Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung nur anhand einer Gesamtschau beurteilt werden. Soll heißen: Es kommt darauf an, in welchem Umfang Daten gespeichert werden, wie lange die Speicherfristen und wie hoch die Hürden für den Zugriff sind. Dass überhaupt "anlasslos" auch die Daten Unverdächtiger gespeichert werden - das wäre nach diesem Konzept kein Totschlagsargument gegen die Vorratsdatenspeicherung mehr. Deutschland, das mit seinem neuen, restriktiven Vorratsdaten-Gesetz im europäischen Kontext als Musterknabe dasteht, legte dem Gericht den eigenen Ansatz als Vorbild für ein europäisches Schutzkonzept ans Herz: Keine Speicherung besonders sensibler Daten wie etwa E-Mails, Beschränkung des Zugriff auf den Verdacht schwerer Straftaten und sehr knappe Speicherfristen, die für die heiklen Standortdaten sogar noch kürzer ausfallen - vier statt zehn Wochen.

Auf die sensiblen Standortdaten, die angesichts der Verbreitung von Handys eine wachsende Bedeutung haben, richtete sich eine ganze Reihe von Fragen der Richter. Das Urteil wird in einigen Wochen verkündet. Dass der EuGH seine Rolle als Schrittmacher eines europäischen Datenschutzes weiterspielen wird, daran dürfte kein Zweifel herrschen.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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