Luftverschmutzung:Ein Land hüllt sich in Rauch

China setzt weiter auf Kohle, jede Woche werden vier neue Kraftwerke genehmigt. Die Abgase machen viele Menschen krank.

Von Kai Strittmatter

Das Timing wenigstens war perfekt. In Paris trafen sich die Staats- und Regierungschefs, um die Welt zu retten, in Peking ging sie derweil am Montag schon mal unter. Smog, oder nein: "Airpocalypse now", wie einer im Netz schrieb. Peking war mal wieder im Dunst verschwunden. Der Feinstaubindex der Regierung endet bei 500, also 500 Mikrogramm der gefährlichen sogenannten PM2.5-Teilchen pro Kubikmeter Luft. Am Montagnachmittag maß die US-Botschaft mehr als 600. Die Weltgesundheitsorganisation sagt, ungesund ist alles über 25.

Viele Bürger brauchten gar nicht auf ihre Smog-App zu schauen: Schon beim Aufstehen plagten sie stechende Kopfschmerzen, tränende Augen, Husten bis zum Erbrechen. Das war eine passende Erinnerung. Der Kampf gegen den Dreck in der Luft ist im ureigensten Interesse Chinas - mehr noch als die internationale Gemeinschaft treiben mittlerweile die eigenen Bürger ihre Regierung zu mehr Engagement.

Sogar der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua, dem Sprachrohr der KP, fehlten mit einem Mal die Worte: "Atemlos. Sprachlos", überschrieb Xinhua auf seinem Twitter-Konto am Montag ein Foto, auf dem wohl Peking zu sehen sein sollte, das aber nur mehr eine graue Leinwand zeigte. Vom sonst allgegenwärtigen Galgenhumor im Netz war am Montag kaum etwas zu sehen. Alles wegzensiert? Oder einfach nicht mehr lustig? Aus vielen Kommentaren sprachen Resignation und Verzweiflung: "Das Vaterland ist stark", zitierte ein Nutzer die Propaganda, dann hängte er eine Frage an: "Bist du aber glücklich?" Andere Kommentare: "Das ist der Horror" - "Ich könnte heulen" - "Ich fühle gar nichts mehr". @muyoudao schreibt: "Ich schaue aus dem Fenster und sehe eine Science-Fiction-Welt aus einem Katastrophenfilm. Zum ersten Mal möchte ich meine Heimat verlassen."

China verbraucht so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen, kein Land stößt mehr Klimagase aus. Noch beim Klimagipfel von Kopenhagen vor sechs Jahren war China der große Bremser, das immerhin ist diesmal anders. Peking gibt sich alle Mühe, als verantwortlicher Partner dazustehen. Das Land hat versprochen, sein Ausstoß an Klimagasen werde spätestens von 2030 an zurückgehen. Bis 2017 will das Land den Handel mit Klimagasemissionspapieren einführen. Und am Ende von François Hollandes Staatsbesuch in Peking Anfang dieses Monats lobte Frankreichs Präsident den Gastgeber China geradezu überschwänglich und sagte, man habe in Peking "die Voraussetzungen für einen Erfolg" des Gipfels in Paris gelegt.

Allein dieses Jahr genehmigten Chinas Behörden bisher 155 neue Kohlekraftwerke

Der Wille ist da. Geschieht auch etwas? Schon dreht sich jedes dritte Windrad weltweit in China. Aber am Ende steht und fällt alles mit dem Kohleverbrauch. Pekings Stadtregierung verkündete im März, 2016 werde das letzte Kohlekraftwerk in der Stadt schließen; aber gleichzeitig wurden landesweit in den ersten neun Monaten des Jahres 155 neue genehmigt, vier pro Woche. Experten sind dennoch vorsichtig optimistisch, dass das Land seinen Kohleverbrauch wie versprochen in den Griff bekommt. Bis dahin ringen die Pekinger um Luft. Im Moment, schätzt eine Studie der Forschungsgruppe "Berkeley Earth" tötet Chinas Luftverschmutzung 4000 Menschen - am Tag.

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