Lufthansa:Tag der Trauer

Germanwings A320 abgestürzt

Mit schwarzer Krawatte: Carsten Spohr stellt sich am Donnerstag in Köln den Fragen der Journalisten.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Völlige Fassungslosigkeit: Wie Carsten Spohr, der Chef des Flugunternehmens Lufthansa, das Unerklärliche zu erklären versucht.

Von Kirsten Bialdiga, Köln

Für Sekundenbruchteile ist nur das Klicken der Kameras zu hören. Carsten Spohr schaut angestrengt geradeaus, nestelt nervös am Kugelschreiber. Dann versucht der Lufthansa-Chef Worte zu finden für das Unerklärliche. Nach Auswertung des Stimmenrekorders des Unglücksflugs habe es eine sehr, sehr tragische Wendung gegeben, beginnt er. "Wir haben fassungslos zur Kenntnis genommen, dass das Flugzeug willentlich zum Absturz gebracht wurde." Es scheine sich zu bewahrheiten, dass der Copilot allein im Cockpit gesessen und seinem Kollegen den Zutritt verwehrt habe, um den tödlichen Sinkflug in die Alpen zum Ende zu bringen. "Das macht uns fassungslos", wiederholt er. Spohr habe sich nicht vorstellen können, dass dieses Gefühl durch die jüngsten Nachrichten noch steigerungsfähig war.

Der Manager ist niemand, der sich leicht aus der Fassung bringen lässt. Er selbst hat viele Jahre erst als Ingenieur und später als Pilot für die Lufthansa gearbeitet, gilt als ein Mann, der nicht so schnell Nerven zeigt. Doch an diesem Nachmittag sucht er immer wieder nach den passenden Worten, macht Pausen, damit ihm die Stimme nicht versagt.

"Das ist das mit Abstand furchtbarste Ereignis in der 60-jährigen Konzerngeschichte", sagt er. "Unsere Piloten sind und bleiben die besten der Welt." Es sei Teil der Unternehmens-DNA, dass Lufthansa und Germanwings ihr Personal mit der allergrößten Sorgfalt ausbildeten. Bei dem schrecklichen Ereignis habe es sich um einen tragischen Einzelfall gehandelt, den die besten Sicherheitstests und Prüfungen nicht verhindern könnten. "In meinen schlimmsten Albträumen habe ich mir nicht vorstellen können, dass so etwas eines Tages passieren könnte."

Neben Spohr sitzt Germanwings-Chef Thomas Winkelmann, in sich zusammengesunken, schweigend. "Wir haben keinerlei Erkenntnisse, was den Copiloten zu dieser schrecklichen Handlung bewogen hat", sagt Spohr und fügt mit dem typischen Lufthansa-Stolz hinzu: "Dass gerade uns das passiert ist, tut uns leid."

Es ist ein Balanceakt heute zwischen dem Trauernden, dem Aufklärer und dem überzeugten Lufthanseaten. Während der Konzernchef darauf pocht, dass Fliegen das sicherste Transportmittel der Welt ist, bleibt der Aufklärer Spohr wichtige Antworten schuldig. Da wäre zum Beispiel die Frage, warum der Todespilot seine Ausbildung für einige Monate unterbrechen musste. Waren es medizinische Gründe, psychische gar? Spohr beruft sich darauf, dass die ärztliche Schweigepflicht auch über den Tod hinaus gelte. Nach der Pause habe der Copilot aber alle Eignungstests einwandfrei bestanden, er sei zu 100 Prozent flugtauglich gewesen. Kein Wort der Anklage kommt Spohr an diesem Tag über die Lippen, sichtlich bemüht er sich, auch die Würde des Copiloten zu wahren.

Ganz am Ende der gut halbstündigen Pressekonferenz in Köln lässt der Manager für einen kurzen Moment durchblicken, wie er die Tat persönlich empfindet. Ob es ein Suizid gewesen sei, wird er von einem Journalisten gefragt. Spohr überlegt, dann sagt er: "Wenn ein Mensch 149 andere mit in den Tod nimmt, dann ist das für mich kein Selbstmord."

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