Lufthansa:Richter verbieten Streik

Das hessische Landesarbeitsgericht hält den Ausstand der Piloten für rechtswidrig. Juristen sehen das Urteil als Wende.

Von Jens Flottau und Alexander Hagelüken, Frankfurt

Das hessische Landesarbeitsgericht hat den Streik der Lufthansa-Piloten am Mittwoch überraschend verboten und damit womöglich einen Wendepunkt in dem seit fast zwei Jahren andauernden Konflikt gesetzt. Nach der Entscheidung forderte die Pilotengewerkschaft Cockpit (VC) ihre Mitglieder auf, sich wieder für den Dienst zur Verfügung zu stellen. Die Lufthansa wird an diesem Donnerstag zu einem normalen Flugprogramm zurückkehren.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass Cockpit nicht in erster Linie wegen der Übergangsversorgung der Piloten zum Ausstand aufrufe wie im offiziellen Streikbeschluss behauptet. Es gehe ihr auch um die Lufthansa-Pläne, die Billigsparte Eurowings aufzubauen, bei der Piloten weniger verdienen. Ein Streik dagegen sei aber rechtswidrig. Das geltende Recht will verhindern, dass eine Gewerkschaft in den Kernbereich der Unternehmerfreiheit eingreift, etwa in den Aufbau einer neuen Sparte. Arbeitsrechtler wie der Bonner Professor Gregor Thüsing sehen das Urteil als juristische Wende, die Arbeitskämpfe in Deutschland generell verändern könnte. "Bisher konzentrierten sich Arbeitsgerichte meist darauf, welche Gründe eine Gewerkschaft im offiziellen Streikbeschluss aufführte und stoppten deshalb keinen Streik", sagt Thüsing. So gelang es Gewerkschaften teils, mit Arbeitskämpfen Ziele zu erreichen, die sie offiziell nicht verfolgen durften - etwa höhere Löhne in einem Streik, der sich offiziell um besseren Schutz bei der Arbeit drehte.

Gegen die Entscheidung sind keine Rechtsmittel möglich. Lufthansa hatte mehrmals erfolglos versucht, Streiks untersagen zu lassen. Die Firma betonte, sie stehe für Verhandlungen zu offenen Tarifthemen jederzeit zur Verfügung. Lufthansa kündigte aber auch an, die Schadenersatzklage gegen Cockpit auszuweiten.

Die Entscheidung ist ein schwerer Rückschlag für die Pilotengewerkschaft, der längerfristig sogar ihre Existenz infrage stellt. "Wir haben kein Verständnis für das Urteil", erklärte Cockpit. Anders als Gewerkschaften wie Verdi oder die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (UFO) verweigert sich die Pilotenvertretung bisher Initiativen, die Kosten bei der Lufthansa zu reduzieren. Die Gewerkschaft setzte darauf, ihre Interessen per Streik durchzusetzen. Sie will vor allem den Konzerntarifvertrag erhalten, der die hohen Gehälter und guten Arbeitsbedingungen der Piloten absichert. Nun kommt ihr das stärkste Druckmittel abhanden. Lufthansa plant mit Eurowings ein zweites Standbein mit geringeren Kosten, um mit Billiganbietern wie Ryanair und Easyjet zu konkurrieren.

Unabhängig von der Gerichtsentscheidung, droht Cockpit von anderer Seite Gefahr. Die Gewerkschaft UFO, die bislang nur die Flugbegleiter vertritt, erwägt, auf der Basis des neuen Tarifeinheitsgesetzes künftig auch Piloten vertreten zu wollen. Das könnte das Aus für Cockpit bedeuten, da UFO beim fliegenden Personal deutlich mehr Mitglieder haben soll. Bisher wollte UFO auf keinen Fall Piloten vertreten. Unter den aktuellen Bedingungen werde man dies aber vielleicht doch tun, kündigte Gewerkschafts-Chef Nicoley Baublies der Süddeutschen Zeitung an. Die Verweigerungshaltung von Cockpit habe einen enorm negativen Einfluss auf die Flugbegleiter.

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