Luftfahrt:Jeder schaut bloß auf sich

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Der Streik bei Eurowings und Germanwings offenbart das Problem einer Branche: Denn es fehlt nicht nur an Geld, sondern vor allem auch an Gesprächskultur. Manager, Arbeitnehmer und Gewerkschafter betrachten die Probleme nur aus ihrer eigenen Perspektive.

Von Detlef Esslinger

Ein unverhältnismäßiger Streik? Wer für die nächsten Tage einen Flug bei Eurowings oder Germanwings gebucht hat, sollte sich lieber nicht darauf verlassen, dass ein Gericht diesen Streik noch rechtzeitig beenden wird. Zwar erwecken die beiden Lufthansa-Tochterfirmen den Eindruck, als wollten sie den Arbeitskampf der Flugbegleiter mit der Begründung verbieten lassen, er sei unverhältnismäßig. Aber wer die Rechtsprechung kennt, der ahnt, wie gering die Erfolgsaussicht einer solchen Klage wäre. Die Arbeitsgerichte vertreten seit Jahren den Standpunkt, im Arbeitskampf dürfe jede Seite selbst entscheiden, was sie für verhältnismäßig hält und was nicht. Dass die Firmen dennoch eine Klage ins Gespräch bringen, ist trotzdem interessant. Es offenbart die nicht vorhandene Gesprächskultur.

"Unsere ganze Luftfahrtbranche ist in Aufruhr." So stand es in einem Aufruf der Gewerkschaft "Unabhängige Flugbegleiter-Organisation" (Ufo) für eine Kundgebung am Donnerstag in Köln. Genauso ist es. Es geht bei dem Streik nicht bloß um die Gehälter und die Arbeitsbedingungen bei Eurowings; und schon gar nicht geht es um jene Teilzeitmodelle bei Germanwings, die nun den Anlass liefern, weshalb Ufo auch die Flugbegleiter dort zum Streik aufgerufen hat. Jetzt streiken diese bei Eurowings und Germanwings; neulich gab es den De-facto-Streik bei Tuifly, als sich Hunderte Mitarbeiter krankmeldeten; und auch der Streit zwischen Piloten und Lufthansa schwelt ja weiter. Im Grunde drehen sich all diese Auseinandersetzungen um dieselben zwei Fragen: erstens, wie großzügig die Arbeitgeber noch zu ihrer Belegschaft sein können, wenn das Geschäft unter Billigfliegern wie Ryanair, Easyjet oder Vueling leidet. Zweitens, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander darüber sprechen. Noch so ein Satz aus dem Kundgebungsaufruf von Ufo: "Momentan gelingt es kaum einem Arbeitgeber, seine Mannschaft auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen." Es werde nicht auf Augenhöhe kommuniziert, Ängste würden nicht ernst genommen.

Es fehlt in der Branche an Geld und an Gesprächskultur

Im Lufthansa-Konzern zum Beispiel weiß das Management seit Jahrzehnten um seine gut organisierte Belegschaft. Trotzdem meint dieses Management, betriebswirtschaftliche Probleme allein mit der Gründung von Billiggesellschaften und deren Verlagerung ins Ausland lösen zu können - und wundert sich dann, wenn die in die Pläne nicht einbezogene Belegschaft beginnt, Streikgründe zu konstruieren. Gegen eine Auslagerung darf niemand streiken, wegen eines Tarifvertrags zur Teilzeit jedoch schon - also holt Ufo diesen offenen Tarifvertrag aus der Kiste, obwohl es bei Germanwings nur vier Fälle gibt, in denen der Arbeitgeber Teilzeitwünsche von Mitarbeitern abgelehnt hat. Vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) stammt dieser Hinweis: Auslagerungen "können in hochorganisierten Firmen wie den Fluggesellschaften nicht dauerhaft gegen den Willen von Mitarbeitern und Gewerkschaften getroffen werden".

Aber auch diese Gewerkschaften streben derzeit nicht wirklich eine Lösung an, die den Namen verdient. Die Krise der Branche lässt sich ja nicht wegstreiken, und indem die Gewerkschaften versuchen, zumindest den Besitzstand langjähriger Beschäftigter zu sichern, legen sie den Keim für die nächsten Konflikte. Was werden ihre jetzigen und künftigen Mitglieder in den ausgelagerten Firmen wohl dazu sagen, wenn Ufo und die Pilotenvereinigung Cockpit in einem Konzern unterschiedliche Tarifverträge akzeptieren, obwohl die Tätigkeiten in allen Firmen dieses Konzerns doch dieselben sind? Das ist der Kern in all diesen Auseinandersetzungen: dass jeder die Probleme nur aus der eigenen Perspektive betrachtet.

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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