Luftangriffe aus Israel:Syrische Regierung und Hisbollah drohen mit Vergeltung

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Grenze zu Syrien: Israelische Soldaten auf der Golan-Höhe

(Foto: dpa)

Der syrische Bürgerkrieg droht zu eskalieren. Das Bombardement durch die israelische Luftwaffe bezeichnete ein syrischer Regierungsvertreter als "Kriegserklärung". Die Arabische Liga fordert die Vereinten Nationen zum Handeln auf.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israelische Luftangriffe auf Ziele in Syrien lassen die Gefahr einer regionalen Eskalation des seit zwei Jahren tobenden Bürgerkriegs steigen. Nach syrischen Angaben bombardierten Kampfflugzeuge eine militärische Forschungseinrichtung nordwestlich von Damaskus, gewaltige Explosionen erschütterten die Randbezirke der Hauptstadt. Ein syrischer Regierungsvertreter bezeichnete dies als "Kriegserklärung" Israels. Aus Jerusalem gab es, wie in solchen Fällen üblich, keine offizielle Bestätigung. Inoffiziell hieß es, die Luftschläge hätten einer für die libanesische Hisbollah-Miliz bestimmten Raketenlieferung gegolten.

Israels Regierung hat wiederholt deutlich gemacht, dass sie im Gefahrenfall zu einem militärischen Eingreifen im Nachbarland bereit ist. Als Gefahr definierte sie nicht nur den möglichen Einsatz von Chemiewaffen, sondern auch den Transfer hochentwickelter Raketen an die von Iran unterstützte Hisbollah-Miliz, die in Syrien an der Seite des Regimes kämpft. Die meisten Rebellen sind Sunniten, während Präsident Baschar al-Assads Volksgruppe der Alawiten dem im Iran vorherrschenden schiitischen Glauben nahestehen. Ende Januar hatte Israel bereits einmal einen Angriff auf einen Militärkonvoi geflogen, mit dem mutmaßlich Luftabwehrraketen von Syrien aus nach Libanon gebracht werden sollten.

Nun wurden in den Nächten auf Samstag und Sonntag gleich zwei Angriffswellen gemeldet, die israelischen und amerikanischen Quellen zufolge gegen eine aus Iran stammende Lieferung von Raketen des Typs Fateh-110 gerichtet waren. Diese präzisen Boden-Boden-Raketen haben eine Reichweite von 300 Kilometern und könnten damit in der Hand der Hisbollah fast jeden Ort in Israel treffen.

Die israelische Luftwaffe griff nach Angaben der syrischen Opposition auch eine Raketeneinheit und zwei Bataillone der Republikanischen Garden an. Am Sonntagmorgen waren die Straßen in Damaskus trotz der beginnenden Arbeitswoche fast leer. Nur wenige Geschäfte waren geöffnet. Das amtliche syrische Fernsehen wertete die Luftschläge als Reaktion auf die jüngsten Erfolge der Truppen Assads im Kampf gegen die Rebellen.

Anwohner sprachen nach den Angriffen in Damaskus von den schwersten Explosionen seit Kriegsbeginn, manche verglichen die Wucht mit einem Erdbeben. "Die Nacht wurde zum Tag", sagte ein Zeuge. Auch in der Stadt Kura al-Assad nahe Damaskus, wo viele Regierungsmitarbeiter leben, gab es einem Zeugen zufolge Explosionen. Das ganze Wochenende über wurden israelische Kampfjets über Libanon gesichtet. Die Flüge dienen offenbar der Überwachung, um zu sehen, ob Gegenschläge vorbereitet werden. Zur Sicherheit wurden am Sonntag auch im Norden Israels an den Grenzen zu Syrien und Libanon zwei Raketenabwehr-Batterien des Systems Iron Dome (Eisenkuppel) stationiert und der Luftraum für zivile Flugzeuge gesperrt.

Die Arabische Liga forderte die UN zum Handeln auf

Trotz der angespannten Lage wollte Premierminister Benjamin Netanjahu jedoch seine fünftägige Reise nach China antreten. Von den westlichen Verbündeten bekam die Regierung in Jerusalem Unterstützung. Der amerikanische Präsident Barack Obama erklärte, es sei "Israels Recht, gegen den Transfer moderner Waffen an terroristische Organisationen wie die Hisbollah vorzugehen". Auch der britische Außenminister William Hague betonte das Recht des jüdischen Staats auf Selbstverteidigung.

Israel und Syrien befinden sich seit Jahrzehnten offiziell im Kriegszustand, auch wenn es in den vergangenen fast 40 Jahren an der schwer bewachten Grenze ruhig geblieben war an den Fronten. In einem Gespräch mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN drohte der syrische Vize-Außenminister Faisal al-Makdad nun Vergeltung "zu gegebener Zeit" an. Die Angriffe nannte er einen Beleg für eine Allianz der Rebellen mit Israel. Nach dem Luftangriff im Januar protestierte Syrien bei den Vereinten Nationen. Zu einem Vergeltungsschlag der Streitkräfte kam es damals aber nicht.

Kraftvoll wurden die Militärschläge auch in Teheran und Beirut verurteilt. Das Vorgehen Israels bedrohe die Sicherheit in der ganzen Region, sagte der iranische Verteidigungsminister Ahmed Wahidi nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Isna. Ein Hisbollah-Sprecher kündigte an, seine Organisation sei "bereit zu verhindern, dass Syrien in die Hände Tel Avivs und Washingtons gerät". Ägypten verurteilte die Luftschläge als "Aggression". Die Angriffe nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus verstießen gegen internationales Recht und bedrohten die Sicherheit und Stabilität in der Region, erklärte das Präsidialamt in Kairo am Sonntag. Die Arabische Liga forderte die Vereinten Nationen wegen des Angriffs zum Handeln auf.

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