Luftangriffe auf IS-Hochburg Rakka:Amnesty wirft Assad-Regime neue Kriegsverbrechen vor

Smoke rises after what activists said were airstrikes by forces loyal to Syria's President Assad in Raqqa, which is controlled by the Islamic State

Bei Angriffen der syrischen Luftwaffe auf Rakka kamen im November 2014 offenbar überwiegend Zivilisten ums Leben.

(Foto: Nour Fourat/Reuters)
  • Amnesty International legt einen Report vor, der Luftangriffe der syrischen Armee auf zivile Ziele in Rakka dokumentiert. Die Stadt ist Hochburg der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).
  • Die USA schließen Gespräche mit Syriens Präsident Assad aus - und relativieren damit Äußerungen von Außenminister Kerry.
  • Bei Angriffen mit Fassbomben sollen mindestens 115 Zivilisten getötet worden sein.
  • Ein kurdischer General beschuldigt den IS, verbotenes Chlorgas eingesetzt zu haben.

Amnesty: Assads Luftwaffe tötete mindestens 115 Zivilisten in Rakka

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft dem syrischen Regime von Präsident Baschar al-Assad weitere Verstöße gegen das Völkerrecht vor und sieht Hinweise auf ein Kriegsverbrechen. Bei Luftangriffen der syrischen Armee auf die Stadt Rakka seien im vergangenen November bis zu 115 Zivilisten getötet worden, heißt es in einem neuen Report von Amnesty International. Unter den Opfern seien auch 14 Kinder gewesen. Rakka ist eine Hochburg der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die hatte die Stadt im Juni 2014 erobert und zur Hauptstadt ihres "Islamischen Kalifats" auf irakischem und syrischem Boden ausgerufen.

Bombardiert worden seien unter anderem eine Moschee, ein Markt voller Zivilisten und andere Gebäude ohne militärischen Zweck. "Einige der Angriffe sind allem Anschein nach als Kriegsverbrechen einzustufen", erklärten die Menschenrechtler unter Berufung auf Augenzeugen. "Die bloße Anwesenheit von Mitgliedern des IS berechtigt die syrische Regierung nicht dazu, Wohngebiete zu bombardieren und damit den Tod von Zivilisten in Kauf zu nehmen."

Die syrische Luftwaffe setzte bei ihren Angriffen offenbar Fassbomben ein. Sie sind mit Sprengstoff und Metall gefüllt und werden von Hubschraubern aus abgeworfen. Der Einsatz ist kaum zielgerichtet. Der UN-Sicherheitsrat hatte im vergangenen Jahr Flächenbombardements und Fassbomben verurteilt, weil sie vor allem Zivilisten träfen. Amnesty beklagt, dass die internationale Gemeinschaft bisher beim Schutz der syrischen Zivilbevölkerung versagt habe.

US-Regierung schließt Gespräche mit Assad aus

Die US-Regierung hat zur Beilegung des Syrien-Konflikts direkte Verhandlungen mit Machthaber Baschar al-Assad ausgeschlossen. "Jemand, der Zehntausende seiner eigenen Leute getötet hat, hat keine Berechtigung, in der Zukunft seines Landes eine Rolle zu spielen", sagte US-Außenamtssprecherin Jen Psaki am Montag (Ortszeit) in Washington. Allerdings sei es notwendig, Vertreter des Assad-Regimes in Verhandlungen über eine politische Lösung des Syrien-Konflikts einzubeziehen.

Zuvor hatte US-Außenminister John Kerry Verbündete mit Äußerungen irritiert, die USA und andere Staaten prüften Wege, Assad zu Gesprächen über einen politischen Übergang zu bewegen. "Wir werden am Ende verhandeln müssen", sagte Kerry. Um Assad dazu zu bringen, "werden wir ihm klarmachen müssen, dass jeder entschlossen ist, dieses politische Ergebnis zu erreichen." Den US-Standpunkt, wonach Assad keine Legitimität mehr besitze und zurücktreten müsse, wiederholte Kerry nicht.

Kurden werfen IS Einsatz von Giftgas vor

Angeblich hat die IS-Miliz inzwischen mehrfach Chlorgas eingesetzt. Kurden-General Asis Waisi sagte vor Journalisten in Erbil, im Dezember hätten die sunnitischen Extremisten das Gas bei einem Angriff auf eine Brigade seiner Militärpolizei im Sindschar-Gebirge eingesetzt. Im Januar seien seine Leute dann zweimal bei einer IS-Offensive westlich von Mossul mit dem Kampfstoff in Berührung gekommen.

Mehrere Militärpolizisten seien in Krankenhäuser gebracht worden, wo Bluttests auf Kontakt mit Chlorgas hingedeutet hätten. Schon am Wochenende hatte die Kurdenregierung dem IS den Einsatz chemischer Waffen vorgeworfen. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) hatte erklärt, sie könne dies zunächst nicht bestätigen.

Chlorgas wurde im Ersten Weltkrieg eingesetzt

Chlorgas wurde erstmals im Ersten Weltkrieg als Waffe eingesetzt. Inzwischen ist das durch die Chemiewaffenkonvention von 1997 verboten.

Allerdings wurde Chlorgas nach Erkenntnissen der OPCW im Nachbarland Syrien in dem seit vier Jahren dauernden Bürgerkrieg mehrfach verwendet. Bis August 2014 wurden alle von der syrischen Regierung deklarierten Giftgasbestände vernichtet.

Das nun angeblich eingesetzte Giftgas könnte trotzdem aus Beständen des Assad-Regimes stammen, die dem IS in die Hände gefallen sind. Die Terrorgruppe hatte im vergangenen Jahr weite Teile des Nordirak erobert und kontrolliert auch große Gebiete Syriens. Die kurdischen Peschmerga im Irak versuchen, die Islamisten zurückzuschlagen.

Vorstoß irakischer Truppen auf Tikrit stockt

Der Vorstoß irakischer Regierungstruppen und schiitischer Milizen auf die Stadt Tikrit stockte auch am Montag. Innenminister Mohammed al-Ghaban begründete die vorübergehende Einstellung der Kämpfe damit, man wolle die Zahl der Opfer unter den Soldaten begrenzen und die Infrastruktur nicht noch mehr zerstören.

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