Nach Anschlag in Afghanistan:Bundeswehr bringt verletzten General nach Deutschland

Markus Kneip ist der erste General der Bundeswehr, der bei einem Auslandseinsatz verwundet wurde: Zusammen mit anderen Verletzten wird er nach Deutschland gebracht, darunter eine Soldatin, deren Zustand "kritisch" ist. Entgegen ersten Angaben war der Anschlag kein Selbstmordattentat.

Noch nie sind die Taliban so nah an einen deutschen General herangekommen: Der bei dem Anschlag auf ein Sicherheitstreffen in Nordafghanistan verwundete General Markus Kneip wird nach Deutschland ausgeflogen. Der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf in Nordafghanistan werde sich in der Bundesrepublik einer Spezialbehandlung vor allem seiner Verbrennungen unterziehen, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) habe am Sonntag mit Kneip telefoniert.

German Major General Kneip speaks with German defense minister de Maiziere after arriving at the German armed forces camp in Kunduz

Generalmajor Markus Kneip im Gespräch mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bei dessen Besuch in Kundus wenige Tage vor dem Anschlag im nordafghanischen Talokan: Zusammen mit anderen verletzten Soldaten wird der Isaf-Regionalkommandeur Nord nach Deutschland ausgeflogen.

(Foto: Reuters)

Der General solle drei Wochen in Deutschland behandelt werden, so der Sprecher weiter. Danach werde er nach derzeitiger Planung nach Afghanistan zurückkehren. Bei dem Anschlag auf das Sicherheitstreffen wurden außer Generalmajor Kneip fünf deutsche Soldaten verletzt.

Zusammen mit Kneip würden am Dienstag eine schwerverletzte Soldatin und ein mittelschwer verletzter Soldat ausgeflogen. Den Zustand der Soldatin beschrieb ein Sprecher des Einsatzführungkommandos der Bundeswehr als "kritisch".

Klar ist nun, wie sich der Anschlag abspielte: Entgegen bisheriger Angaben war es kein Selbstmordattentat. "Es hat sich allem Anschein nach nicht um einen Selbstmordattentäter gehandelt, sondern um einen ferngezündeten Sprengsatz in oder an einer Gebäudewand", sagte ein Isaf-Sprecher in Masar-i-Scharif.

Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen des afghanischen Geheimdienstes NDS, der auch von einer versteckten Bombe ausgeht. Die afghanischen Ermittler gehen allerdings davon aus, dass der Sprengstoff nicht in einer Wand eingemauert, sondern in der Eingangshalle des Gouverneurssitzes vergraben wurde. Das müsse ein oder zwei Tage vor dem Anschlag geschehen sein. Der oder die Attentäter müssten Verbindungen in das Büro des Gouverneurs haben. Zunächst hatte es unter anderem aus dem Bundesverteidigungsministerium geheißen, ein Attentäter habe sich in Polizeiuniform Zutritt zu dem Gebäude verschaffen können und sich dann in die Luft gesprengt.

Die zentrale Trauerfeier für die zuletzt getöteten drei Bundeswehrsoldaten wird am Freitag in Hannover abgehalten. An der Veranstaltung wolle auch Kneip teilnehmen, da die beiden am Samstag getöteten Soldaten im "direkten persönlichen Arbeitsumfeld" des Generals tätig gewesen seien.

Nach Angaben eines Sprechers der Hunsrück-Kaserne in Kastellaun sollten die Leichname noch am Montag nach Deutschland überführt werden. Der Flieger werde am Abend auf dem Militärflughafen Köln-Wahn erwartet. Bei den Todesopfern handele es sich um zwei Soldaten, die bei dem Sprengstoffanschlag auf den Gouverneurspalast in Talokan getötet wurden, sowie um einen Hauptmann, der am Mittwoch bei einem Sprengstoffangriff auf eine Patrouille der Bundeswehr starb.

Westerwelle: "Es gibt schreckliche Rückschläge"

Unterdessen ist der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, spontan an den Hindukusch gereist. Er wolle sich ein Bild der Lage machen, berichtete Spiegel Online unter Berufung auf einen Bundeswehrsprecher. Wieker sei am Sonntagmorgen in Masar-i-Scharif, dem größten Feldlager der Bundeswehr in Afghanistan, eingetroffen. Zusammen mit dem Isaf-Oberkommandierenden, dem US-General David Petraeus, habe Wieker Kneip einem Besuch im Feldlazarett abgestattet.

Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich bersorgt über die Lage in dem Land: "Mir macht das sehr große Sorgen - einmal, was unsere Frauen und Männer angeht, die in Afghanistan ihren Dienst tun", sagte Westerwelle bei einem Besuch in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi.

Der Anschlag zeige aber auch, dass bis zur Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit an die Afghanen noch "sehr viel Arbeit" notwendig sei. Dennoch gebe es zur Strategie in Afghanistan keine Alternative, sagte der Minister. "Es gibt schreckliche Rückschläge. Das erfüllt jedes Herz mit Trauer. Trotzdem müssen wir jetzt geordnet die Abzugsperspektive umsetzen."

Ende des Jahres will Deutschland die Zahl der eigenen Soldaten am Hindukusch erstmals reduzieren. In Berlin hat der blutige Anschlag die Diskussion um die Sicherheit bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr neu entfacht. Auch Forderungen nach einer Gegenoffensive gegen die Taliban werden laut. Für die Bundesregierung steht die Afghanistanstrategie aber nicht in Frage. Auch an der Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften bei der Ausbildung will man festhalten.

Taliban attackieren italienischen Militärstützpunkt

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt kritisch, wie sich an diesem Montag zeigte: Bei einem Doppelanschlag in der westafghanischen Stadt Herat wurden mindestens vier Menschen getötet. Ein Selbstmordattentäter sprengte sein mit Sprengstoff beladenes Auto im Eingangsbereich eines italienischen Militärstützpunktes im Westen des Landes in die Luft. Die zweite Explosion ereignete sich auf einer belebten Kreuzung in der Innenstadt. Die größte Stadt im Westen Afghanistans galt bisher als relativ ruhig.

Vier Menschen starben, 37 wurden verletzt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Rom sind unter den Verwundeten fünf italienische Soldaten, einer von ihnen ist schwer verletzt.

Die Provinz Herat gehört zu den sieben Regionen, die im Juli von der Nato-Schutztruppe Isaf an die afghanische Regierung übergeben werden soll.

Bis 2014 soll die afghanische Regierung die Kontrolle über ihr gesamtes Land übernehmen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte Herat in der vergangenen Woche besucht und dabei festgestellt, dass die Region für die Übergabe bereit sei. Mit dem Gouverneur von Herat besuchte Rasmussen den Basar der Stadt. In dem Stützpunkt sei ein italienisches Wiederaufbauteam stationiert.

Isaf entschuldigt sich für getötete Zivilisten

Unterdessen haben sich führende US-Militärs im Namen von Isaf für einen Luftangriff im Südwesten Afghanistans entschuldigt. Oberstes Ziel des Militärbündnisses sei es, den Tod von Zivilpersonen zu verhindern, hieß es in einer Erklärung von US-General David Petraeus, US-Generalleutnant David Rodriguez und US-Generalmajor John Toolan.

Toolan zufolge kamen bei dem Angriff am Sonntag neun Zivilisten ums Leben. Die Provinzregierung in Helmand erklärte dagegen, es seien vermutlich zwei Wohnhäuser getroffen und dabei zwölf Kinder und zwei Frauen getötet worden.

Die US-Regierung reagierte auf die vom afghanischen Präsidenten Hamid Karsai geäußerte Kritik an der Tötung von Zivilipersonen bei Nato-Angriffen. "Präsident Karsai hat mehrmals seine Besorgnis ausgedrückt hinsichtlich des Todes von Zivilisten", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Sonntag an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One auf dem Weg nach Missouri. "Das ist eine Sorge, die wir teilen und die wir sehr ernst nehmen."

Karsai hatte den Angriff der Nato auf die Zivilisten als "schweren Fehler" und "Mord" bezeichnet und Armee und US-Regierung in einer "letzten Warnung" aufgefordert, ihre "einseitigen und unsinnigen" Einsätze zu unterlassen.

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