Lüneburger Auschwitz-Prozess:Gröning bekennt sich zu Mitschuld am Holocaust

Auschwitz-Prozess in Lüneburg

"Es fand bei mir eine Verdrängung statt, die mir heute unerklärlich ist." Oskar Gröning bekennt sich zu einer Mitschuld am Holocaust.

(Foto: dpa)
  • Der ehemalige SS-Unterscharführer Oskar Gröning hat sich im Lüneburger Auschwitz-Prozess zu einer Mitschuld am Holocaust bekannt.
  • Durch seine Tätigkeit habe er "dazu beigetragen, dass das Lager Auschwitz funktionierte", ließ der heute 94-Jährige durch seine Anwältin erklären.
  • Die Beweisaufnahme ist damit im Wesentlichen abgeschlossen. Am Donnerstag werden wohl die ersten Plädoyers gehalten.

Von Hans Holzhaider, Lüneburg

Im Prozess gegen den ehemaligen SS-Unterscharführer Oskar Gröning hat sich der 94-jährige Angeklagte am Mittwoch ausdrücklich zu seiner Mitschuld an der Ermordung von Juden im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau bekannt. "Auch wenn ich unmittelbar mit diesen Morden nichts zu tun hatte, habe ich durch meine Tätigkeit dazu beigetragen, dass das Lager Auschwitz funktionierte", trug Oskar Grönings Verteidigerin Susanne Frangenberg im Namen ihres Mandanten vor. "Mir ist bewusst, dass ich mich durch meine Tätigkeit in der HGV (Häftlingsgeldverwaltung) am Holocaust mitschuldig gemacht habe, mag mein Anteil auch klein gewesen sein."

Gröning ist der Beihilfe zum Mord an etwa 320 000 Juden angeklagt, die von Mai bis Juli 1944 aus Ungarn in das KZ Auschwitz deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft in die Gaskammern getrieben wurden. Gröning stellt klar, dass er aus Erzählungen anderer SS-Männer seit seinem ersten Abend in Auschwitz wusste, was mit den deportierten Menschen geschah, "nämlich dass die meisten in den Gaskammern ermordet und ihre Leichen anschließend verbrannt wurden".

Erst Grönings drittes Versetzungsgesuch hatte Erfolg

"Immer mal wieder" sei er neben dem Dienst in der Bürostube auch zum Dienst auf der Rampe eingesetzt worden, wo die Gefangenen selektiert wurden. Schon bei seiner ersten Einlassung hatte Gröning geschildert, dass er gleich bei seinem ersten Einsatz auf der Rampe mit angesehen habe, wie ein SS-Mann ein Kleinkind an den Beinen gepackt und mit dem Kopf gegen einen Eisenbahnwaggon geschlagen habe.

Nach diesen "schrecklichen Szenen" habe er sein erstes Versetzungsgesuch eingereicht. Er sei jedoch von seinem Vorgesetzten lautstark auf die von ihm unterschriebene Verpflichtungserklärung hingewiesen worden. "Dem habe ich mich gefügt." Auch ein weiteres Versetzungsgesuch sei ohne Folgen geblieben. Im September 1944 sei ihm klar geworden, dass er sich "der unmittelbaren Teilnahme an den Morden nicht länger würde entziehen können". Das sei der Auslöser für sein drittes Versetzungsgesuch gewesen, dem dann stattgegeben wurde.

"Es fand bei mir eine Verdrängung statt, die mir heute unerklärlich ist"

"Während meiner Zeit in Auschwitz habe ich versucht, mich rauszuhalten", ließ Gröning seine Verteidigerin vortragen. "Es fand bei mir eine Verdrängung statt, die mir heute unerklärlich ist. Vielleicht war es die Bequemlichkeit des Gehorsams, zu dem wir erzogen waren." Dieser anerzogene Gehorsam habe verhindert, "die tagtäglichen Ungeheuerlichkeiten als solche zu registrieren und dagegen zu rebellieren."

Nach Grönings Erklärung wurde noch eine Zeugin gehört, die als 13-Jährige mit ihrer Familie nach Auschwitz verschleppt worden war und dort bis auf eine Schwester alle Familienangehörigen verloren hat. Damit ist die Beweisaufnahme im Wesentlichen abgeschlossen. Am Donnerstag werden voraussichtlich schon die ersten Plädoyers gehalten.

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