Unmittelbar, nachdem das Ergebnis des Referendums feststand, zog Cameron die Konsequenzen. Gemeinsam mit seiner Frau trat er am Freitagmorgen vor die Presse und kündigte seinen Rücktritt an - aber nicht sofort. Er sei "nicht mehr der richtige Kapitän", sagte Cameron. Doch wolle er noch drei Monate im Amt bleiben, "um das Schiff auf Kurs zu halten". Das formale Austrittsgesuch bei der EU einzureichen, diese Aufgabe will Cameron seinem Nachfolger überlassen.
Es war so etwas wie Camerons letzter Versuch, Verantwortung zu übernehmen, nachdem er Europa und Großbritannien reichlich verantwortungslos einer ungewissen Zukunft entgegengeführt hat. Die europäischen Spitzenpolitiker dankten es ihm nicht - im Gegenteil. Angela Merkel verlor kein Wort zum Rücktritt des Premiers, und das war noch die freundlichste Reaktion. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte deutlich, dass er den Scheidungsbrief gerne sofort hätte. Und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete Camerons Abgang auf Raten als "skandalös". Dieser habe bereits "den ganzen Kontinent verhaftet für seine taktischen Verhandlungen", als er das Referendum anberaumte, so Schulz. Nun werde "zum wiederholten Male ein ganzer Kontinent in Geiselhaft genommen".
Camerons Plan sah wohl so aus: Er wollte derjenige Premier sein, der das schwierige Verhältnis der Briten zur EU ein für allemal klärt. Das ist ihm gelungen - nur ganz anders, als er sich das vorstellte. Cameron wird, Stand jetzt, als der Zocker in die Geschichte eingehen, der die EU aus parteitaktischen Erwägungen in eine historische Krise stürzte. Und wenn es ganz schlecht läuft, wird es in ein paar Jahren vielleicht heißen, er sei der Premier gewesen, der das Ende des Vereinigten Königreichs und der Europäischen Union einläutete.