Live-Talk auf StudiVZ:"Die SPD hat definitiv ein Imageproblem"

Lesezeit: 4 min

Steinmeier gegen Merkel: Es sieht nicht gut aus für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten - zumindest wenn es nach den Usern von StudiVZ geht.

Noch zehn Wochen bis zur Bundestagswahl. In aktuellen Umfragen liegt die SPD 13 Prozentpunkte hinter der Union. Doch es könnte noch einmal spannend werden: Die Sozialdemokraten wollen kämpfen - und im August mit einem "großen Mobilisierungswahlkampf" um jede Stimme werben.

Hat SPD-Herausforderer Steinmeier eine Chance gegen Kanzlerin Merkel? Die Kernfrage des Chats mit Hans-Jürgen Jakobs bei StudiVZ. (Foto: Foto: Reuters)

Aber hat ihr Kandidat Steinmeier überhaupt eine Chance gegen Kanzlerin Merkel? Darüber diskutierte sueddeutsche.de -Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs am Donnerstagabend zwei Stunden lang mit den Usern von StudiVZ beim Live-Talk im Netz.

Bereits Stunden vor Beginn der Diskussion posten Nutzer die ersten Kommentare: "Nicht den Hauch einer Chance", schreibt Thomas Schmid um 14.15 Uhr. "Der einzige in der SPD, der Profil zeigt, ist Peer Steinbrück - und der wird für seine Ehrlichkeit und klare Haltung von seinen Genossen angegriffen", beklagt Andreas Seidel.

"Der Mann hat für mich keine klare Persönlichkeit. Dieser Mann kann die Wähler nicht für sich begeistern. Schade, denn Alternativen haben die auch keine", kommentiert Frank Brede das Personal der SPD und deren Spitzenkandidat Steinmeier.

"Die Bürger wollen jetzt wissen, wie es weitergeht"

Um 18.30 steigt auch sueddeutsche.de-Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs in die Diskussion ein. Seine These: "Dass die Strategie des SPD-Vorsitzenden Müntefering nicht aufgehen kann, den Wahlkampf bis Ende August auszusetzen, zeigen die aktuellen Verhältnisse in Schleswig-Holstein. Die Bürger wollen jetzt wissen, wie es weitergeht."

Die User interessieren sich zunächst vor allem für den Internetwahlkampf - wobei auch hier die Strategie der SPD nicht unbedingt aufzugehen scheint: "Es ekelt mich an, wie 'fw' (Frank-Walter) Steinmeier sich bei der jungen Generation im Wahlkampf anschleicht, wenn er dann keine Politik für uns macht. Und ich finde diesen amikalen Ton lächerlich, z.B. dieses 'fw' und das Duzen auf seiner studiVZ Seite", schimpft Angelika Schäfer.

"Mit der Zustimmung zum Zensurgesetz hat sich die SPD doch aus dem Internetwahlkampf eigentlich herauskatapultiert", findet Torsten Sillus.

"Zu großes Selbstzerstörungspotenzial "

Auch der misslungene Europawahlkampf macht Steinmeier in den Augen der Jungwähler nicht unbedingt sympathischer: "Ich hatte von der SPD den Eindruck, sie haben selbst keine Argumente, warum sie gewählt werden sollten. Deshalb werden Plakate aufgehängt mit Titeln wie 'Nur Finanzhaie würden FDP wählen'. Wenn man im pubertären Alter auf Schlammschlachten und niveaulose Wortgefechte aus ist, okay. Doch als Partei, die in Deutschland Einfluss nehmen will, sollte der Wahlkampf doch eher mit Niveau geführt werden", schreibt eine Userin.

"Die SPD hat definitiv ein Imageproblem und ein zu großes Selbstzerstörungspotenzial (Hessenwahl), an dem sie arbeiten sollte", schreibt Laura Julia Linke.

Thomas Hamann postet: "Ich bin überzeugter SPD-Anhänger, seit 1998 Mitglied, und hoffe, dass die SPD kläglich bei dieser Wahl verliert, damit die Herren Münte und Co mal drüber nachdenken, für wen sie da sind."

Aber auch Anhänger der Bundeskanzlerin gibt es in der Diskussion kaum: Christoph Matzen findet als einer der wenigen, dass "Frau Merkel einen guten Job macht. Mich würde es freuen, wenn sie weitere vier Jahre unser Land regiert. Dann aber unter Schwarz-Gelb."

Alternativen zu den etablierten Parteien sehen die User allerdings auch nicht. Selbst die Piratenpartei, die sich im Netz derzeit großer Beliebtheit erfreut, wird skeptisch betrachtet: "Die Einzigen, die in der jungen medial interessierten Bevölkerung punkten können derzeit, sind die Piraten, deren Aussagen noch einen thematisch ganz eng begrenzten Kreis umfassen und die deswegen eigentlich nicht ernstlich schon 'wahlreif' sind", schreibt Angelika Schäfer.

"Politik mit mehr Charakter"

Je länger die Diskussion dauert, umso weniger geht es um Personalien und Parteien. Stattdessen diskutieren die User nun über die deutsche Außenpolitik und den Afghanistan-Einsatz.

Mar Kus etwa wünscht sich eine "Politik mit mehr Charakter": "Niemand in der Politiker spricht von Krieg. Warum? Man müsste es der deutschen Bevölkerung erklären, warum sich deutsche Truppen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in einem Kriegseinsatz befinden. Um Deutschland am Hindukusch zu verteidigen? Oder weil man mitziehen muss wegen der Nato?"

Nikolai D. schreibt dagegen: "Fakt ist, das Afghanistan wieder zum größten, weltweiten Truppenübungsplatz für Terroristen werden würde, wenn man die Truppen dort abzieht. Mag sein, dass die derzeitige Strategie falsch ist - der Grund für die Präsenz der Truppen ist aber nach wie vor gegeben."

Auch die Innenpolitik - von Steuersenkungen über den Atomausstieg bis zum Kapitalismus - beschäftigt die Teilnehmer. Vor allem beim Thema Mindestlohn scheiden sich jedoch die Geister.

"Ich kann nicht verstehen, welche Argumente gegen die 7,50 Euro Mindestlohn ziehen würden. Jeder Vollzeitbeschäftigte müsste sich selbst versorgen können. Dies müsste doch auch im Interesse des Staates sein", sagt Georg Bartholomé.

"Viele scheinen in der Mindestlohndebatte die negativen Auswirkungen zu vergessen", warnt Felix Gerhardinger. Timo Strohäker findet: "Ein angemessener Mindestlohn muss kommen. Nur hat ihn in der SPD zunächst niemand für relevant erachtet, erst die Linke hat dieses Thema aufgegriffen und salonfähig gemacht."

"Steinmeier wird Kanzler!"

Setzt die SPD also auf die richtigen Themen, vermarktet sie nur falsch? "Anstatt mit selbstbewusster Regierungspolitik in den Wahlkampf zu gehen, versucht sie sich in einem links-populistischen Wahlkampf, bei der die Mitte zur CDU geht und Arbeitslose wie Rentner zur Linkspartei", kritisiert Martin Göhler nun auch den Bundestagswahlkampf.

"Ich denke, dass sich Steinmeier und Merkel im Charisma nicht viel nehmen. Vom Charakter scheint es ja ganz gut zur deutschen Mentalität zu passen. Die Bürger sind doch aber eigentlich ganz zufrieden mit der Politik von Angela Merkel. Sie hat nicht viel falsch gemacht. Es fehlt wahrscheinlich einfach an einer Wechselstimmung um die Wähler zu mobilisieren", schreibt Göhler etwas später.

Und so bleibt Tom George der einzige User an diesem Abend, der sich sicher ist: "Steinmeier wird Kanzler! In einer Ampel!"

Der Chat zum Nachlesen auf StudiVZ und MeinVZ.

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