Linkspartei:Streitschriften für und wider

Zwei neue Bücher, zweierlei Wahrheiten: Der Historiker Hubertus Knabe will die Linkspartei entlarven, der Abgeordnete Jan Korte den Umgang mit ihr.

Daniel Brössler

Im Juni 1930 erklärte das Politbüro der KPD allen "faschistischen" Kräften den Kampf. Gemeint waren keineswegs nur die Nationalsozialisten, sondern auch alle "wichtigen bürgerlichen Parteien".

Gysi Lafontaine Linkspartei dpa

Führende Köpfe der Linkspartei: Fraktionschefs Gysi und Lafontaine

(Foto: Foto: dpa)

In Bonn diskutierte am 19.September 1950 die Bundesregierung, wie Firmen bestraft werden können, welche die KPD unterstützen - "sei es durch Entzug öffentlicher Aufträge, sei es durch Auferlegung von Buße".

Am 27. September wird nach Umfragen etwa jeder zehnte Wähler der Partei Die Linke seine Stimme geben. Was hat eine bald 80 Jahre alte KPD-Erklärung damit zu tun? Und was ein Kabinettsprotokoll aus der frühen Ära Adenauer?

Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte im einstigen Stasi-Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen, hat ein Buch geschrieben, das mit "Honeckers Erben" betitelt ist und die "Wahrheit über Die Linke" verspricht.

Jan Korte, ein junger Bundestagsabgeordneter der Linken, beschreibt in seinem Buch "Instrument Antikommunismus" den "Sonderfall Bundesrepublik". Knabe will die Linkspartei entlarven, Korte den Umgang mit ihr. Die KPD-Erklärung und das Kabinettsprotokoll gehören zum jeweiligen Beweismaterial.

Es ist das große Geschütz, das Knabe gleich zu Beginn auffährt. Spreche man in Deutschland über die Katastrophe des NS-Regimes, werde oft übersehen, dass die Weimarer Republik "von zwei Seiten bekämpft wurde: von den Nationalsozialisten und den Kommunisten".

Ein ganzes Kapitel widmet er den "Totengräbern von Weimar" - in der Absicht, seine Warnung vor der Linkspartei auf ein historisches Fundament zu stellen. Die alte kommunistische Parole "Weg mit dem System" ertöne heutzutage leicht abgewandelt wieder in der Forderung nach dem Systemwechsel. Die Linkspartei, mahnt Knabe, sei eine Gefahr für die Demokratie.

Korte fängt den Ball auf. "In der Bundesrepublik gilt unter Konservativen bis heute", klagt er, "Sozialismus gleich DDR, Mauer und Stacheldraht". In diesem "vernebelten Klima" würden keine Unterschiede gemacht und "linke Fundamentalkritik am Stalinismus" werde nicht zur Kenntnis genommen.

Mit Antistalinismus gegen Antikommunismus

Den Antikommunismus der westdeutschen Nachkriegszeit schildert der Niedersachse als "Allzweckwaffe" zur Relativierung und Verdrängung der Nazi-Zeit. Korte räumt ein, dass die KPD schon vor ihrem Verbot "in erster Linie an sich selbst" gescheitert sei wegen ihrer Ausrichtung auf die totalitäre Sowjetunion und die DDR.

Für die Gegenwart ermahnt er seine Partei, es sei von "grundlegender Bedeutung, antistalinistische Positionen einzunehmen, um Antikommunismus glaubwürdig und nachhaltig bekämpfen zu können". Der Antikommunismus freilich brauche keine "reale Grundlage, wie zum Beispiel fehlende demokratische Rechte in der DDR, auf die er verweisen kann, sondern ist reine Ideologie".

Für Knabe wird andersrum ein Schuh daraus. Der frühere Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde und Streiter wider die DDR-Verkitschung sieht in der PDS/Linkspartei eine Lobby zur Verdrängung von SED-Unrecht.

Bekannte Enthüllungen

Dass er sich nicht vor dem Part des Eiferers fürchtet, stellt Knabe in Fernseh-Talkshows und bei anderen öffentlichen Auftritten unter Beweis. Nun hat er einen privaten Verfassungsschutzbericht über die Linkspartei vorgelegt, beginnend mit der "saarländischen Männerfreundschaft" Oskar Lafontaines zu Erich Honecker.

"Wie kein anderer Sozialdemokrat biederte er sich damals bei dem Diktator an und half ihm, seine menschenverachtende Politik in der Bundesrepublik populär zu machen", schreibt Knabe über Lafontaine, der als junger Oberbürgermeister von Saarbrücken die DDR und den saarländischen Landsmann Honecker besuchte.

Lafontaine auf Parteilinie

Nach Lafontaines Aufstieg zum Ministerpräsidenten sei das Saarland zum "Lieblingsbundesland" der SED avanciert, behauptet Knabe und verweist auf eine Verdreifachung der Saar-Exporte in die DDR.

Interessant, aber was verrät es über die Linkspartei? Mehr als der von Franz Josef Strauß eingefädelte Milliardenkredit über die CSU? Und was sagt es über die SPD, der Lafontaine doch damals noch überaus zugehörig war?

Der Saarländer mag sich Honecker angebiedert haben. Mit seinem Glauben, dem Frieden sei durch Stabilisierung der Ostblock-Diktaturen am besten gedient, befand er sich auf Parteilinie. Weil Knabe entlastende Momente fast durchgängig außer Acht lässt, leidet die Glaubwürdigkeit seiner Streitschrift.

Knabe will die Bevölkerung vor einem "Etikettenschwindel" warnen. Kader der alten Staatspartei SED hätten immer noch das Sagen in der Linkspartei, warnt Knabe und nennt Namen, beginnend mit Parteichef Lothar Bisky und endend bei der Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Lichtenberg-Hohenschönhausen.

Er "enthüllt", dass die Partei massive Staatsausgaben fordert und mit seriöser Außenpolitik wenig zu tun hat. Sein Werk richtet sich so doch eher an jene, die schon immer wussten, warum die Linkspartei für sie unwählbar ist.

Kein schlüssiges Bild

Knabe kommt auch zurück auf die Vorwürfe gegen Gregor Gysi, er habe mit der Stasi zusammengearbeitet. Für Knabe "besteht nach sorgfältiger Prüfung der MfS-Unterlagen und unter Berücksichtigung der Verteidigungserklärungen Gysis sowie der von ihm aufgebotenen Zeugen kein Zweifel an dieser Zusammenarbeit".

Ausführlich widmet er sich der Stasi-Fraktion im Bundestag. Der behindertenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Ilja Seifert, hat seine Mitarbeit zugegeben. Die Stasi bescheinigte ihm "Engagement, Schöpfertum und Initiative".

Der Abgeordnete Lutz Heilmann arbeitete bei der Stasi-Hauptabteilung Personenschutz, der Wessi Dieter Dehm wurde von der Stasi als Informant geführt. Wenn Knabe der Linkspartei an anderer Stelle vorhält, sie erschleiche sich Einfluss bei den Gewerkschaften, so trägt das lächerliche Züge. Und wenn er die Partei einerseits als staatsgefährdend, andererseits an der Macht in ostdeutschen Ländern und Berlin als "gnadenlos opportunistisch" brandmarkt, ergibt sich kein schlüssiges Bild.

"Durch die versuchte Parallelisierung von DDR und Linkspartei soll der Antikommunismus in der Bevölkerung erneut zum Leben erweckt werden, um tagespolitischen Nutzen zu ziehen", behauptet Korte. Das ließe sich vermutlich entkräften. Knabe ist es nicht gelungen.

HUBERTUS KNABE: Honeckers Erben. Die Wahrheit über die Linke. Propyläen, Berlin 2009. 448 Seiten, 22,90 Euro.

JAN KORTE: Instrument Antikommunismus. Sonderfall Bundesrepublik. Dietz, Berlin 2009. 128 Seiten, 9,90 Euro.

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