Linken-Parteitag in Hamburg:Ultras, hört die Signale!

Bundesparteitag Die Linke in Hamburg

Auf dem Parteitag haben die Ultras bei den Linken ihre Positionen nicht durchsetzen können.

(Foto: dpa)

Die Hardcore-Linken haben sich auf dem Parteitag in Hamburg mit kaum etwas durchsetzen können. Weder inhaltlich, noch personell. Wenn das so weitergeht, könnte den Linken eine Häutung bevorstehen, wie sie einst die Grünen erlebten.

Eine Analyse von Thorsten Denkler, Hamburg

Tobias Pflüger steht am Rande der Parteitagshalle im Hamburger Kongresszentrum CCH. An eine der roten Klinker-Wände gelehnt. Dann spricht er mal mit diesem, mal mit jenem Genossen. Er sieht nicht besonders glücklich aus. Den Tag hat er sich anders vorgestellt.

Pflüger ist der Verlierer des Parteitages. Und nicht nur er hat verloren, sondern der ganze Flügel, den er vertritt. Der Mann mit dem markanten Kinnbart wollte männlicher Spitzenkandidat der Linken für die Europawahl werden. Er tritt für Platz zwei der Liste an. Kampfkandidatur gegen Thomas Händel, der die Linke schon im EU-Parlament vertritt. Pflüger scheitert. Er hat es dann noch auf Platz vier versucht. Wieder Kampfkandidatur gegen Leute aus dem Reformer-Lager. Er verliert wieder.

Pflüger hat es dann gelassen. Die neuen Machtverhältnisse in der Linken sind damit geklärt. Die Ultras der Linken, die Beton-Linken, sie haben ihre Kraft verloren.

Pflüger ist als Kriegsgegner angetreten, als Anti-Militarist und Friedensaktivist. Er ist in der Friedensbewegung verankert. Er geißelt Bundespräsident Joachim Gauck, weil der fordert, dass Deutschland in der Welt mehr Verantwortung übernehmen müsse. Als er sich den Delegierten vorstellt, peitscht er seine Silben in den Saal, als wolle er jeden treffen, der versucht, die Formel "Nie wieder Krieg!" zu relativieren. Er kann reden, er kann mitreißen. Aber er steht auf der falschen Seite.

Die Ost-Linken besetzen zwei Drittel der Delegiertenplätze

Vor Jahren noch wäre Pflüger auf einem Parteitag der Linken problemlos gewählt worden. Aber da hatten die Ost- und die West-Linken noch etwa gleich viele Stimmen. Das ist jetzt anders. Der Westbonus - einst das Vereinigungsgeschenk an die WASG - ist weg. Die mitgliederstarken Ostverbände besetzen jetzt gut zwei Drittel der Delegiertenplätze.

Die Ost-Verbände gelten als mehrheitlich gemäßigt, reformorientiert und regierungswillig. Die Westverbände sind in der Regel radikaler. Wer regiert, muss Kompromisse machen und Kompromisse kommen bei ihnen nicht gut an - schon gar nicht, wenn es um Friedenspolitik geht. Der außenpolitische Linksaußen im Bundestag, Wolfgang Gehrcke aus Hamburg, hat am Samstag gesagt: "Wenn wir werden sollen, wie Gabriel es ist, dann pfeife ich auf Regierungsteilnahme!" - Damit ist er in seinem Lager absolut mehrheitsfähig.

Nur wird sein Lager immer schwächer. Die gemäßigten Ossis haben sich auf der Europa-Liste fast vollständig durchgesetzt. Gabi Zimmer, die von 2000 bis 2003 PDS-Vorsitzende war, führt die Liste an. Mit Thomas Händel auf Platz zwei wählten die Delegierten zwar einen Wessi aus Bayern und Mitbegründer der Vorläuferpartei WASG. Aber einen der gemäßigten. Händel kümmert sich im Europaparlament um Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Er hat dort andere Probleme, als immer wieder das sofortige Ende von Hartz IV zu fordern.

Die Hardcore-Linken können nur einen Erfolg verbuchen: Auf Platz sechs konnte sich Fabio di Masi gegen den Reformer-Kandidaten Dominic Heilig durchsetzen. Das lag aber auch daran, dass di Masi mit Sahra Wagenknecht den Popstar der Linken hinter sich hatte, die seinen ökonomischen Sachverstand lobte. Da war dann klar, gegen das Votum der Vize-Partei- und Fraktionschefin würde es Heilig höllisch schwer haben. Die Stichwahl ging knapp gegen ihn aus.

Laut, aber unterlegen

Für die Reformer eine erträgliche, weil bis dahin einzige Niederlage. Auf dem Parteitag kursierte neben dem offiziellen Listenvorschlag der Partei noch eine ominöse "Ost-Liste", mit zu Teil anderen Namen als auf der offiziellen Liste. Bis auf Dominic Heilig sind bis zum letzten aussichtsreichen Platz neun alle den Ost-Linken genehmen Kandidaten gewählt worden.

Laut waren sie auf diesem Parteitag, die Ultras aus dem Bundestag - von Wolfgang Gehrcke über Heike Hänsel und Inge Höger bis Sevim Dağdelen. Dank des Losglücks hatten sie die Europadebatte am Samstag bestimmt. Aber in den Abstimmungen verloren sie mit ihren radikalen Positionen.

Wenn das so weitergeht, steht die Linke womöglich bald vor einer Häutung. Ähnlich wie sie die Grünen nach der rot-grünen Regierungsübernahme 1998 erlebt haben. Die einstige Friedenspartei hat spätestens mit ihrem Ja zum deutschen Militäreinsatz auf dem Balkan den kompletten Flügel der Anti-Kriegs-Aktivisten verloren. Und auch die entsprechenden Wählergruppen.

Ein entspannter Umgang mit der Nato könnte ein Anfang sein

Heute haben die Grüne andere Wähler als noch vor 20 Jahren. Und es sind mehr. Die Grünen sind stärker als sie vor 1998 je waren.

Will die Linke gestalten anstatt immer nur zu protestieren, wird sie diesen Weg gehen müssen. Oder die Ultras lernen, Kompromisse zu machen - auch in der Friedenspolitik. Ein entspannter Umgang mit der Nato könnte ein Anfang sein. Oder die grundsätzliche Bereitschaft, UN-mandatierte Auslandseinsätze der Bundeswehr als politische Option überhaupt nur in Erwägung zu ziehen.

Dieser Parteitag in Hamburg ist eine Zäsur. Er hat gezeigt, die Linke wird den Weg der schrittweisen Öffnung gehen - die Mehrheiten dafür sind da. Ohne diese Öffnung werden linke Mehrheiten im Bundestag auch 2017 nicht zu einer linken Regierung führen. Die Hardliner müssen sich überlegen, ob sie dabei sein wollen. Oder besser gehen. Mit anderen Worten: Ultras, hört die Signale.

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