Linken-Fraktionschef Gregor Gysi:Unbequeme Gespräche

Die Birthler-Behörde veröffentlicht Dokumente, die Gregor Gysi belasten. Doch der wehrt sich weiter gegen die Vorwürfe um seine angeblichen Stasi-Verstrickungen.

Philip Grassmann

Es gibt kaum ein Thema, dem Gregor Gysi keine Pointe abgewinnen kann. Nur bei einem Thema versteht der Fraktionschef der Linken keinen Spaß: Wenn es um seine angeblichen Verstrickungen mit der Stasi geht. Die Prozessunterlagen, Gegendarstellungen und Unterlassungserklärungen Gysis dürften einige Ordner füllen. Weil eindeutige Belege fehlen, darf nicht öffentlich behauptet werden, dass Gysi für den Staatssicherheitsdienst der DDR gearbeitet habe. Gysi selbst erklärte stets, er habe weder willentlich noch wissentlich mit der Stasi zusammengearbeitet. Nicht ausschließen wollte er nur, dass er vom DDR-Geheimdienst abgeschöpft worden sei.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi: Whert sich gegen die Stasi-Vorwürfe: Gregor Gysi. Fraktionschef der Linken im Bundestag

Whert sich gegen die Stasi-Vorwürfe: Gregor Gysi. Fraktionschef der Linken im Bundestag

(Foto: Foto: dpa)

Nun hat die Birthler-Behörde neue Akten herausgegeben, die Gysi in Bedrängnis bringen könnten. Der Linkspolitiker hatte 2005 gegen die Veröffentlichung dieser Unterlagen vor dem Verwaltungsgericht Berlin geklagt und den Prozess verloren. Gysi hatte damals mit Hinweis auf seine Schweigepflicht als Anwalt des Regimekritikers Robert Havemann die Herausgabe der Unterlagen an den Spiegel verhindern wollen. Überraschenderweise zog Gysi die Berufung vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht nun am Dienstag zurück, einen Tag, bevor die Richter darüber verhandeln wollten.

Mit dem IM in die Stadt

Bei den Dokumenten handelt es sich um fünf Seiten, in denen Gespräche aus dem Jahr 1979 mit dem DDR-Regimekritiker Robert Havemann wiedergegeben werden. Gysi, der in den Dokumenten als Teilnehmer erwähnt wird, war damals Havemanns Anwalt. Besonders brisant sind die beiden Seiten, die ein Gespräch im Hause Havemanns in Grünheide vom 3.Oktober1979 wiedergeben. Teilnehmer waren laut Protokoll Robert Havemann, seine Frau Katja, Gregor Gysi und ein weiterer Regimekritiker. Dort heißt es: "Der IM nahm (geschwärzt) mit in die Stadt".

Der Name des Mannes ist inzwischen bekannt, er sollte bei dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht als Zeuge auftreten. Es handelt sich um den DDR-Lyriker Thomas Erwin, der seit 1986 Thomas Klingenstein heißt. Klingenstein erinnert sich daran, dass es sich bei dem Fahrer um Gysi gehandelt habe. "Er brachte mich nach Berlin", sagte Klingenstein der Süddeutschen Zeitung.

In dem Dokument, das die Birthler-Behörde herausgab und das Klingenstein auch in seiner Stasi-Opferakte fand, sind Gesprächsinhalte der Fahrt sowie eine Einschätzung zur Person vermerkt: "19Jahre, Abiturient, negativ eingestellt." Ein Studium sei abgelehnt worden, weshalb er jetzt als Aufsicht in einem Berliner Museum arbeite. Klingenstein erinnert sich, dass er mit Gysi über seine Lebensumstände gesprochen habe. "Dabei kamen gewiss auch diese biographischen Details zu Sprache", sagte Klingenstein der Süddeutschen Zeitung.

Ein weiteres Schriftstück aus der Dokumentensammlung könnte Gysi ebenfalls in Bedrängnis bringen. Es handelt sich um die Abschrift eines Tonbandmitschnitts über ein Gespräch, das Gysi 1979 mit Havemann führte. Gysi hatte vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt, es handele sich dabei um einen Auszug aus einem von ihm für die Handakte diktierten Tonbandvermerk, den sich die Stasi auf dunklen Wegen aus seiner Kanzlei besorgt habe. Bemerkenswert ist allerdings, wie schnell die Stasi unbemerkt in Gysis Kanzlei eingedrungen sein muss. Das Gespräch mit Havemann wurde laut Abschrift am 9. Juli geführt. Den abgetippten Auszug über das Gespräch datierte die Hauptabteilung XX/OG auf den 10. Juli 1979.

Gysi wehrt sich heftig gegen die Vorwürfe. Der Vorwurf, er sei ein Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen, so erklärt er, "war und bleibt falsch". Ihm zu unterstellen, er sei 1979 in Bezug auf Robert Havemann als IM tätig gewesen, sei schon deshalb absurd, weil erst im Herbst 1980 ein IM-Vorlauf zu ihm angelegt worden sei, um zu prüfen ob er als IM geeignet sei. Der IM-Vorlauf habe im Übrigen mit der Feststellung geendet, dass er als IM ungeeignet sei.

Zu Erwin erklärt er, er wisse heute nicht mehr, ob er mal mit ihm Auto gefahren sei und wenn ja, worüber man gesprochen habe. Möglicherweise hätten entweder er selbst oder aber Erwin mit Dritten über die Fahrt gesprochen. Dass er die Stasi über Erwin informiert haben solle, sei "absurder Unsinn". Die Linkspartei stellte sich hinter ihren Fraktionsvorsitzenden.

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