Linken-Chef Oskar Lafontaine:Meister der Spannung

Kommt der Unersetzliche zurück oder nicht? Während Lafontaine noch über seine politische Zukunft schweigt, wächst sein Rückhalt in der Linkspartei. Der Saarländer weiß die spannende Situation zu nutzen.

Daniel Brössler

Sind wichtige Entscheidungen zu verkünden, stehen in der Politik im Wesentlichen zwei Methoden zur Wahl: Der Überraschungscoup und die Spannungsfolter. Oskar Lafontaine, der Chef der Linkspartei, beherrscht beide.

Linken-Chef Oskar Lafontaine: Linken-Chef Oskar Lafontaine (links) und Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch (rechts) können sich nicht ausstehen.

Linken-Chef Oskar Lafontaine (links) und Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch (rechts) können sich nicht ausstehen.

(Foto: Foto: ddp)

Im Oktober hatte er seine Partei mit dem unerwarteten Rückzug vom Fraktionsvorsitz im Bundestag überrumpelt. Nun, da es um die weitere Führung der Partei geht, spannt er seine Leute auf die Folter. Als er Mitte November seine Krebserkrankung öffentlich machte, hatte er dies mit der Ankündigung verbunden "zu Beginn des neuen Jahres unter Berücksichtigung meines Gesundheitszustandes und der ärztlichen Prognosen" über seine politische Zukunft entscheiden zu wollen.

Erneute Kandidatur wahrscheinlich

Das neue Jahr naht und Lafontaine schweigt. Öffentlich zumindest äußert sich der Saarländer nicht dazu, ob er weitermachen will an der Spitze der Partei. Ein bisschen Spannung zumindest soll bleiben bis zu einer Klausursitzung am 11. Januar in Berlin. Dann wird Lafontaine sprechen und aller Voraussicht nach eine abermalige Kandidatur für den Vorsitz beim Parteitag im kommenden Mai verkünden. Alles andere fiele unter die Rubik "Überraschungscoup".

In den Führungszirkeln der Linken verfolgt man die Genesung Lafontaines aufmerksam aus der Ferne und hat zur Kenntnis genommen, dass er zur Beerdigung seines Freundes Alfred Hrdlicka nach Wien gereist ist. Das mache doch keiner, ist zu hören, der nicht auf dem Weg der Besserung sei.

In einer Hinsicht hat die Spannungsfolter bereits Wirkung gezeigt. Die Aussicht auf eine Linke ohne Lafontaine hat der Partei einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Lafontaine werde dringend gebraucht, ist aus allen Richtungen zu hören. "Oskar Lafontaine muss Parteivorsitzender bleiben, Lafontaine ist für die Linke unverzichtbar", sagt der hessische Landesvorsitzende Ulrich Wilken. Auch sein brandenburgischer Kollege Thomas Nord fände es eine "ausgesprochen positive Nachricht", wenn Lafontaine seinen Verbleib an der Spitze verkünden würde. "Er ist in der jetzigen Situation unersetzlich", beteuert Vize-Parteichef Klaus Ernst. Zumindest politisch hat Lafontaine seine Krankheit gestärkt. In der Partei wirkt er unangreifbarer denn je.

Führungslosigkeit ohne Lafontaine

Zugleich hat die Phase relativer Führungslosigkeit in der Partei Spuren hinterlassen. Linke aus Ost und West haben sich zerstritten über die Koalition in Brandenburg. Die Linke habe bei den Koalitionsverhandlungen zu wenig erreicht, kritisieren die Westdeutschen. Die Regierungsbeteiligung habe große strategische Bedeutung, argumentieren die Ostdeutschen. "Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen dem ostdeutschen und dem westdeutschen Teil der Linken", sagt Ernst. Sie sei im Osten Volks-, im Westen Interessenpartei.

Öffentlich ausgetragen werden auch personalpolitische Querelen. So wurde Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch ziemlich unverholen in einem Offenen Brief von Mitarbeitern der Bundestagsfraktion angegriffen und indirekt der mangelnden Solidarität mit Lafontaine bezichtigt. Die Autoren dürfen annehmen im Interesse Lafontaines gehandelt zu haben, dem in der Partei große Verärgerung über Bartsch nachgesagt wird. Noch immer steht der Vorwurf im Raum, Bartsch habe Details aus Lafontaines Privatleben an die Medien lanciert.

Dem widerspricht der Geschäftsführer vehement. Nicht in Abrede stellt er aber, dass es zwischen ihm und dem Vorsitzenden "selbstverständlich auch Differenzen" gibt. Bartsch hält nichts von einer "doppelten Doppelspitze" in Partei und Fraktion, wie Lafontaine sie vorgeschlagen hat. Das werde sich aber "ganz ohne große Aufregung" vor dem Parteitag im Mai in Rostock klären lassen.

Kein herzliches Verhältnis

In der Führung hegen freilich einige Zweifel, dass es dann noch eine Zukunft für Bartsch als Geschäftsführer gibt. "Nicht mehr haltbar" sei der Mann aus Mecklenburg-Vorpommern, wird geraunzt. Öffentlich freilich mag das keiner sagen, weshalb der Ausgang durchaus noch als offen gelten kann.

Bartsch selbst sagt über sein Verhältnis zu Oskar Lafontaine etwas kryptisch, es sei "kein anderes als vor einem Jahr". Es war, so viel ist in der Partei bekannt, auch vor einem Jahr kein herzliches. Bartsch verfügt im Osten über eine eigene Machtbasis und tritt entsprechend selbstbewusst auf. "Es gibt Integrationsfiguren für unterschiedliche Teile der Partei", sagt der brandenburgische Landesvorsitzende Nord. Für junge ostdeutsche Funktionäre sei Bartsch so eine Figur.

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