Linke nach der Bundestagswahl:Mission 2017

Linke nach der Bundestagswahl

Die Parteispitze der Linken auf einer Pressekonferenz nach der Bundestagswahl

(Foto: dpa)

In diesem Jahr wird es noch nicht mit Rot-Rot-Grün klappen, doch 2017 könnte es die Linke in die Regierung schaffen. Wenn sie sich als koalitionsfähig erweist. Doch diese Aufgabe scheint angesichts der Zusammensetzung der neuen Fraktion schwierig und birgt Risiken für die Partei.

Von Antonie Rietzschel, Berlin

Es ist derzeit das liebste Wort der Linken: Geschlossenheit. Ob Gregor Gysi oder die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger - sie werden nicht müde zu betonen, dass das solide Ergebnis von 8,6 Prozent dem geschlossenen Auftreten der Partei geschuldet sei.

Besonders bei Riexinger und Kipping schwingt aber noch etwas anderes mit: ein Appell an die eigene Partei, nicht leichtfertig kaputt zu machen, was die beiden in den vergangenen Monaten mühevoll aufgebaut haben. Denn seit ihrer Wahl während des Göttinger Parteitages 2012 haben sie Ruhe in die Partei gebracht, den Konflikt zwischen Reformern und Beton-Linken eingedämmt. Es herrscht sozusagen politischer Waffenstillstand - und das soll auch so bleiben.

Denn 2017 könnte das Jahr der Linken werden. Wenn es in diesem Herbst nicht klappen sollte mit Rot-Rot-Grün - zur nächsten Bundestagswahl hat die Linke eine Chance auf eine Regierungsbeteiligung. "Ich bin sicher, dass diese Wahl die letzte war, bei der die Türen zugeschlagen wurden", sagt Gysi.

Die Grundbedingung für eine Regierungsbeteiligung 2017 ist zumindest für die SPD klar: Die Linke muss koalitionsfähig sein - so hatte es Peer Steinbrück Anfang September formuliert. Die aktuelle Linke bezeichnete er damals als Mix aus ostdeutschen Landesverbänden, die sich bei der Übernahme von Verantwortung auf kommunaler und Landesebene bewährt hätten, und der "kommunistischen Plattform und den Sektierern in Westdeutschland".

Die Hardliner sind gestärkt

Diese Truppe bis 2017 koalitionsfähig zu machen, wird Gregor Gysis Aufgabe sein, falls er wieder Fraktionsvorsitzender wird. Dass es nicht einfach wird, hat der 65-Jährige bereits während des Wahlabends angedeutet. Da erklärte er zwischen aller Euphorie, auf die Partei kämen schwere Zeiten zu. Falsch liegt er da vermutlich nicht: Denn die Hoffnungen einiger Reformer, die Hardcore-Linken würden in der Fraktion zahlenmäßig stark geschwächt und die Arbeit dadurch leichter, hat sich nicht erfüllt.

Da ist Sahra Wagenknecht, die in der neuen Fraktion neun Gefolgsleute aus ihrer Wahlheimat Nordrhein-Westfalen um sich schart - damit ist der Landesverband weiterhin am stärksten in der Fraktion vertreten. Wagenknecht gehört zu denen, die schon während des Wahlkampfes einer rot-rot-grünen Koalition eine Absage erteilt hatten. Ihre NRW-Linke hat den Ruf, ein "Hort des Wahnsinns" zu sein. Im Mai 2010 beendete Hannelore Kraft Koalitionsverhandlungen mit der Partei, weil die nicht bereit war, ein Papier zu unterschreiben, in dem die DDR klar als Unrechtsstaat benannt wird.

Da ist immer noch Gesine Lötzsch, die 2011 als damalige Linken-Vorsitzende den Kommunismus zum gesellschaftlichen Ziel ihrer Partei machen wollte. Gemeinsam mit dem damaligen Co-Vorsitzenden Klaus Ernst unterschrieb sie einen Geburtagsgruß an Fidel Castro - und wurde dafür auch von Gysi kritisiert. Mit solchen Aktionen schadet sie zumindest dem Ansehen der Partei.

AfD als neue Konkurrenz

Um 2017 regieren zu können, muss die Linke nicht nur die SPD, sondern in erster Linie auch die Wähler überzeugen. Ihnen muss sie beweisen, dass sie eine ganz normale Partei ist. Schwierig mit diesem Personal.

Doch auch der Weg in die Normalität würde ein großes Risiko für die Linke bergen. Für Protestwähler taugt sie bereits heute nicht mehr. "Sie ist in deren Augen langweilig geworden", sagt der Parteienforscher Robert Lorenz.

Vor allem den Euroskeptikern reicht es offenbar nicht mehr aus, dass die Linke bisher als einzige Fraktion jedes Rettungspaket abgelehnt hat. Das hat diese Bundestagswahl deutlich gezeigt. 360.000 Wähler hat die Linke an die Alternative für Deutschland (AfD) verloren. Dazu gewonnen hat die Professorenpartei im Osten, wo die Linke traditionell gute Wahlergebnisse einfährt.

Anders als die AfD sitzt die Linke im Bundestag - ihr ist dennoch klar, dass sie Konsequenzen aus der Wählerwanderung ziehen muss. "Zur Europawahl sollten wir gut vorbereitet sein", warnte Gysi am Tag nach der Wahl.

Euroskeptisch oder nicht?

Für Gysi heißt das nicht, dass die Partei ebenfalls einen euroskeptischen Kurs einschlagen soll, wie Oskar Lafontaine es im Juni dieses Jahres vorgeschlagen hatte. Die Partei hat dazu während ihres Parteitages ein klares Signal gesandt. Man müsse sich klarmachen, was es bedeute, diesen Weg zu beschreiten, erklärte damals Bernd Riexinger. Der Änderungsantrag, der Planungen für einen möglichen Austritt einzelner Länder aus dem Euro forderte, wurde mit klarer Mehrheit abgelehnt.

Mit einem euroskeptischen Kurs würde sich die Partei ja auch vom Ziel der Koalitionsfähigkeit entfernen. Die Co-Vorsitzende Kipping erklärt, dass man vielmehr Aufklärung über die AfD betreiben müsse. "Rentner haben von denen eindeutig nichts zu erwarten. Und die Rhetorik klingt teilweise schwer nach Blut, Eisen und Stahl."

Am Ende könnte die Beteiligung an Landesregierungen der beste Beweis für den Pragmatismus der Partei sein. Vielleicht in diesem Jahr schon in Hessen, womöglich erst nächstes Jahr in Thüringen und Brandenburg. Und was ist mit 2017? "Der Zug ist noch nicht abgefahren", sagt Kipping.

Mitarbeit: Daniel Brössler

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