Linke: Kongress zum Jahresauftakt:Keiner hört die Signale

Die Linken streiten wie die Kesselflicker über Kommunismus, den Porsche von Klaus Ernst sowie übers Regieren und Opponieren. Dabei vergessen sie völlig, dass es im Superwahljahr 2011 um ihre politische Existenz geht.

Thorsten Denkler, Berlin

Ein realsozialistischer Fries ziert das "Haus des Lehrers" am Berliner Alexanderplatz. Wer an diesem Montag zum Jahresauftakt der Linken ins Berliner Congress Centrum geht, kann es kaum übersehen.

Gedenken an Luxemburg und Liebknecht

Trotz des Trubels um den Kommunismus-Aufsatz war es ein Pflichttermin für Gesine Lötzsch und Klaus Ernst: Die Parteichefs prosten sich auf der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Friedhof Friedrichsfelde in Berlin zu. Mehrere hundert Menschen hatten dort der Ermordung der Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Jahr 1919 gedacht.

(Foto: dpa)

Der DDR-Künstler Walter Womacka hat das 125 Meter lange Werk in den sechziger Jahren geschaffen. Es umschließt den nüchternen Zweckbau wie eine Bauchbinde. Damals regierte Genosse Walter Ulbricht die DDR. Es zeigt Alltagsszenen von glücklichen, zufriedenen, sozialistischen Menschen. Lachend am Strand, lachend in den Werkhallen, lachend unter einem Apfelbaum.

Der Fries muss auf die Linke an diesem sonnigen Wintertag wirken wie ein Gruß aus einer fernen Zeit. Dabei ist es kaum mehr als ein Jahr her, als die Linke genau soviel zu lachen hatte, wie die Menschen auf dem Fries. Nach einem phänomenalen Siegeszug von Landtagswahl zu Landtagswahl holte sie am Ende bei der Bundestagswahl im September 2009 ihr bis dahin bestes Ergebnis.

Dann ging Parteichef Oskar Lafontaine, gesundheitsbedingt. Gesine Lötzsch und Klaus Ernst übernahmen die Führung und plötzlich ist alles in Frage gestellt: die Erfolge, die Themen, die Personen.

Es droht ein Katastrophenjahr

Dieser Montag sollte eigentlich ein Tag der Selbstvergewisserung sein. Einer, der den Genossen den nötigen Rückenwind gibt für das Superwahljahr 2011. Sieben Landtagswahlen stehen an. Dazu kommen diverse Kommunalwahlen.

Doch weit gefehlt. Das Jahr 2011 könnte für die Linke das werden, was das Jahr 2010 für die FDP war: katastrophal. Die politische Existenz der Linken steht auf dem Spiel.

Die ersten beiden Wahlen in Hamburg und Sachsen-Anhalt könnten für die Linke noch glimpflich ausgehen. In Hamburg spricht viel dafür, dass die Linke den Wiedereinzug in die Bürgerschaft schafft. Es könnte dort für rot-grün reichen. Für die Linke wäre das gut. Bisher hat sie es nur in Opposition zu SPD und Grünen geschafft, beim Wähler zu punkten.

In Sachsen-Anhalt ist die Linke traditionell stark. Dort geht es darum, ob die Linke stärkste Kraft wird und damit reelle Chancen hat, erstmals mit Spitzenkandidat Wulf Gallert einen Ministerpräsidenten zu stellen.

Dann aber beginnen die Problem-Wahlen für die Linke. In Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz will am sie 27. März erstmals in die Landtage einziehen. Schafft sie es nicht, ist das ein herber Rückschlag für das Projekt Westausdehnung.

Ende Mai wird in Bremen gewählt und die Linke muss fürchten, vom Wähler erstmals wieder aus einem Westparlament hinauskomplimentiert zu werden. Damit würde sich ein klarer Abwärtstrend abzeichnen. Der dürfte bis zu den beiden letzten Wahlen in diesem Jahr in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin (beide im September) kaum zu stoppen sein.

Die Bedeutung Berlins

Vor allem Berlin hat eine hohe symbolische Bedeutung für die Linke. Hier regiert seit 2002 ein rot-rotes Bündnis. Dafür wird es nach Lage der Dinge nicht mehr reichen. Eine Schlappe für die Linke aber würde denen in der Partei Aufwind geben, die lieber opponieren als regieren.

Lötzsch auf Rosa Luxemburg Konferenz

Gesine Lötzsch bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz: Statt der angekündigten Podiumsdiskussion hielt die Linken-Chefin eine Rede, in der sie erneut ihren Kommunismus-Aufsatz verteidigte.

(Foto: dpa)

Vor der Bundestagswahl stehen dann nur noch zwei Wahlen an, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein. Größere Erfolge der Linken sind da nicht zu erwarten.

Schlecht bis gar nicht geführt

Was da niemand brauchen kann, der den Linken Gutes wünscht, ist eine zerstrittene, uneinige Partei, die auch noch schlecht bis gar nicht geführt wird. Genau so aber stellt sich die Linke derzeit dar.

Lötzsch, Ernst und Fraktionschef Gregor Gysi haben in ihren jeweiligen Rollen eklatante Fehler gemacht.

Lötzsch, indem sie ohne Not der Partei eine Kommunismus-Debatte aufgedrängt hat, für die sie sich wie am vergangenen Samstag von linken Sektierern auch noch gerne bejubeln lässt.

Ernst, der bonzengleich und bar jeder Sensibilität für die Empfindlichkeiten seiner Genossen, drei Einkommen kassierte, Porsche fährt und eine - wenn auch bescheidene - Almhütte sein Eigen nennt.

Gysi, der in großväterliche Manier über die "personelle Wichtigtuerei" der beiden Parteichefs lästert und diese behandelt wie unartige Enkel, die sich im Sonntagsanzug im Matsch gewälzt haben.

Nicht gerade hilfreich zu einem Zeitpunkt, da beide ihre Autorität in Frage gestellt sehen.

Vor genau einem Jahr hat Gregor Gysi im Berliner Congress Centrum dem damaligen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch in seiner Rede illoyales Verhalten gegenüber Parteichef Oskar Lafontaine vorgeworfen und ihn damit quasi aus dem Amt gefegt. An dem Tag begann der Niedergang der Linken. An diesem Montag ist der Jahresauftakt im BCC schon ein Erfolg für die Linke, wenn er nicht wieder in einem Desaster endet.

Der Fries am "Haus des Lehrers" konnte die Jahre überstehen, weil er und das Haus vor einiger Zeit grundlegend erneuert worden sind. Der Linken steht diese Prozedur offenbar noch bevor.

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