Linke:Brückenbauer gesucht

Harald Wolf

„Kein Polarisierer“: Harald Wolf soll den Posten vorerst übernehmen.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Die zerstrittene Partei braucht nach dem Rückzug von Matthias Höhn einen neuen Geschäftsführer. Übernehmen soll ein Ex-Wirtschaftssenator.

Von Anna Dreher, Berlin

Eigentlich hatten Katja Kipping und Bernd Riexinger am Freitag ihre Einschätzung zu den Sondierungsgesprächen der Jamaika-Parteien abgeben und als Parteivorsitzende der Linken über anstehende Projekte sprechen wollen. Darum ging es dann aber eher am Rande. Am Donnerstagabend war bekannt geworden, dass der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, wegen anhaltender Streitigkeiten in der Partei zurücktritt. Dem Parteivorstand soll nun bereits an diesem Samstag der ehemalige Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf vorgeschlagen werden, der für die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. "Wir glauben, er ist eine sehr gute Wahl. Er hat Regierungserfahrung und ist bei allen Strömungen anerkannt", sagte Riexinger. "Wir halten ihn nicht für einen Polarisierer, Wolf ist ein Brückenbauer."

Bereits vor einem Monat hatte es erste Berichte über Differenzen zwischen Höhn, Kipping und Riexinger sowie den Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch gegeben. Höhn wolle, so hieß es, nicht mehr zwischen den beiden Seiten im Streit um die inhaltliche Ausrichtung und Machtverteilung der Linken stehen. In einem Brief an den Parteivorstand, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, schreibt Höhn: "Eine Partei braucht eine Führung und einen Vorstand, die auf Vertrauen, Verlässlichkeit und Kooperation beruhen. Für mich ist dies nicht mehr gegeben." Zu dem lang andauernden und zäh ausgetragenen Streit um die Spitzenkandidatur schreibt er: "Ich bin in den Monaten der Wahlkampfvorbereitungen als Wahlkampfleiter an die Grenzen des für mich persönlich und politisch Leistbaren gestoßen."

Der aus Sachsen-Anhalt stammende Höhn war seit 2012 Bundesgeschäftsführer der Linken und Wahlkampfleiter. Seit der Bundestagswahl, bei der die Linke 9,2 Prozent der Stimmen erhielt, ist er zudem Mitglied im Bundestag. Der 42-Jährige wurde zum Reformlager gezählt und genoss mit seiner ausgleichenden Art in der gesamten Partei einen guten Ruf. In seinem Brief heißt es nun, seiner Rolle in der Führung habe er über die Jahre nie wirklich gerecht werden können. Nach seinen wahlstrategischen Überlegungen vor einem Jahr seien statt einer Sachdebatte anhand unzutreffender simpler Koalitions- und Konstellationsschemata andere Kämpfe ausgetragen worden.

Über seinen Rücktritt, der die wohl weiter bestehende innerparteiliche Zerrissenheit vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern im kommenden Jahr zeigt, dachte der Politiker offenbar länger nach. Kipping und Riexinger hatten ihn nach der niedersächsischen Landtagswahl im Oktober jedoch gebeten, damit bis zur November-Sitzung des Parteivorstands zu warten. Vorwürfe, Höhn sei zum Rücktritt gedrängt worden, wies Riexinger zurück: "Niemand hat ihn dazu gedrängt. Wir hätten weiter gerne mit ihm zusammengearbeitet."

Harald Wolf, 61, stellt sich bis zum nächsten Parteitag im Juni zur Verfügung. Im Januar will man sich dann über eine Fortsetzung seiner Arbeit unterhalten. In Leipzig wird im Sommer die gesamte Parteiführung neu gewählt - wie auch der Bundesgeschäftsführer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: