Liechtenstein-Fahnderin:Streit um Bochumer Staatsanwältin eskaliert

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Beispielloser Streit: Der Konflikt zwischen der Bochumer Staatsanwaltschaft und Margrit Lichtinghagen wird durch ein Dossier angeheizt.

H. Leyendecker und J. Nitschmann

Der in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte beispiellose Streit um die berufliche Zukunft der Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen eskaliert weiter. Die Leitung der Bochumer Staatsanwaltschaft und der Hammer Generalstaatsanwalt Manfred Proyer stellten am Montagnachmittag für das Düsseldorfer Justizministerium ein Dossier zusammen, das die 54-jährige Strafverfolgerin, die bundesweit durch die Liechtenstein-Verfahren bekannt wurde, aus Sicht der Behördenchefs schwer belastet.

Das Verhältnis zwischen Margrit Lichtinghagen und der Leitung der Staatsanwaltschaft ist zerrüttet. (Foto: Foto: dpa)

Die Bochumer Amtsleitung hatte der Wirtschaftsstaatsanwältin "Illoyalität", "Unaufrichtigkeit" und "Hinterhältigkeit" vorgeworfen und sie in ein anderes Dezernat versetzen wollen. Bis Dienstagnachmittag will NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) entscheiden, ob sie die Vorwürfe für gravierend hält und ob die Ermittlerin die Liechtenstein-Verfahren noch betreuen darf.

Im Vorfeld zeichnet sich ab, dass das Justizministerium eher auf Seiten der Strafverfolgerin stehen wird. Wenn Lichtinghagen in dem Streit obsiegen sollte, würde sie kurzfristig zur Staatsanwaltschaft Köln versetzt und könnte sämtliche Liechtenstein-Verfahren mit in die Domstadt nehmen. Die Bochumer Staatsanwaltschaft, die bislang mit insgesamt vier Staatsanwälten (einschließlich Lichtinghagen) den Komplex aufgearbeitet hat, würde praktisch die Zuständigkeit verlieren. "Wenn das passiert", sagt ein westfälischer Ermittler, "werden zwei Behörden - die Generalstaatsanwaltschaft Hamm und die Bochumer Staatsanwaltschaft - wegen einer Personalie in die Luft gejagt."

Ein Grabenkrieg zeichnet sich ab. In dem Dossier fürs Ministerium wirft die Bochumer Hausspitze der Beamtin nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor allem vor, bei Geldzuweisungen gemauschelt zu haben. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass die Beamtin, die viele Steuerstrafverfahren mit hohen Geldbußen abschloss, in ihrer Laufbahn mehr als hundert Millionen Euro mehr oder weniger frei verteilt hat.

So soll sich in den mittlerweile von den Kollegen gefilzten Akten auch ein frischer Vermerk der Ermittlerin befinden, demzufolge sie möglicherweise einige Millionen Euro auch auf Vorschlag hochrangiger Politiker in NRW auszahlen ließ. In dem Papier stehen die Namen des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), des Hochschulministers Andreas Pinkwart (FDP) und der Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU).

Rüttgers ließ am Montag prompt dementieren, dass er mit der Beamtin über Geldzuwendungen für Projekte gesprochen habe. Ein Sprecher Pinkwarts hingegen bestätigte, es habe im Juni ein Gespräch im Innovationsministerium mit der Staatsanwältin gegeben, an dem ein Staatssekretär teilgenommen habe. Das Ministerium habe der Strafverfolgerin eine Reihe unterstützenswerter gemeinnütziger Einrichtungen genannt und Frau Lichtinghagen habe dann selbst die Private Universität Witten Herdecke angesprochen. "Kurzzeitig" habe auch der Minister an dem Gespräch teilgenommen.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass sich der leitende Bochumer Oberstaatsanwalt angeblich für ein Projekt seines örtlichen Rotary-Clubs bei den Bußgeldzuweisungen eingesetzt haben soll. Bei der Hammer Generalstaatsanwaltschaft traf im November eine anonyme Strafanzeige gegen Lichtinghagen ein, in der ihr Mauscheleien im Zusammenhang mit der Wittener Privat-Uni vorgeworfen werden.

Ferner soll die Beamtin auch zwei Projekte im Wahlkreis Dinthers unterstützt haben. Es findet sich aber kein Beleg, dass die Landtagspräsidentin der Staatsanwältin konkrete Bargeldzuweisungen vorgeschlagen hat.

© SZ vom 16.12.2008/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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