Libyen und USA:Ein nützlicher Schurke

Nach 55 Jahren ist Condoleezza Rice die erste US-Außenministerin, die Libyen besucht. Aus gutem Grund: Die Länder brauchen einander - und zeigen das jetzt so offen wie seit Jahrzehnten nicht.

R. Chimelli

"Liissa" - so hat Muammar el Gaddafi die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice genannt, für ihren Vornamen also eine persönliche Kose-Version erfunden. In Tönen, wie sie der libysche Revolutionsführer noch nie für westliche Amtsträger fand, sagte er im vergangenen Jahr über sie: "Ich unterstütze diese mir liebe schwarze afrikanische Frau.

Libyen und USA: US-Außenministerin Condoleezza Rice bei ihrer Ankunft in Tripoli.

US-Außenministerin Condoleezza Rice bei ihrer Ankunft in Tripoli.

(Foto: Foto: AP)

Ich bewundere sie und bin stolz auf die Art, wie sie sich zurücklehnt und arabischen Führern Befehle erteilt. Liissa, Liissa, Liissa!" Beinahe lyrisch rezitierte er noch einmal, wie sehr er sie wegen ihrer afrikanischen Herkunft liebe.

Am Freitag sollte die Ministerin mit Gaddafi im Zelt in Tripolis den Iftar einnehmen, das Abendessen zum Fastenbrechen im islamischen Monat Ramadan. Themen waren der Sudan, Tschad, der jüngste Putsch in Mauretanien, die Menschenrechte und natürlich die libysch-amerikanischen Beziehungen. Welcher Anrede sich der Revolutionsführer diesmal bediente, ist nicht übermittelt.

Es ist 55 Jahre her, dass ein US-Außenminister, damals John Foster Dulles, ein libysches Staatsoberhaupt, damals König Idriss, besuchte. Nur insofern kann Washington den Besuch von Condoleezza Rice als "historisch" rühmen. Denn tatsächlich begann die Reparatur der Beziehungen schon 1999, als Gaddafi zwei mutmaßliche Verantwortliche für das Flugzeug-Attentat von Lockerbie auslieferte.

Weiteren Respekt erwarb sich der "tollwütige Hund des Nahen Ostens" - so einst US-Präsident Ronald Reagan -, indem er vor fünf Jahren auf Massenvernichtungswaffen verzichtete, die er noch gar nicht hatte. Staats- oder Regierungschefs der wichtigsten EU-Länder kamen bald zu Besuch nach Libyen. Inzwischen hatte Gaddafi dem Terrorismus abgeschworen und sich verpflichtet, den Hinterbliebenen der Attentats-Opfer Entschädigung zu zahlen.

Hinter dem banalen Schlagwort "Bekämpfung des Terrorismus" verbirgt sich indessen der wichtigste Dienst, den er den USA leistete. Als einer der Ersten hatte Gaddafi die Anschläge vom 11. September 2001 verurteilt. Seither hilft sein Geheimdienst, der in der arabischen Welt gut vernetzt ist, den Amerikanern bei der Ausforschung des radikal-islamischen Untergrundes. Die Islamisten hassen Gaddafi so sehr wie Amerika.

US-Behörden schauten weg

Selbst als Libyen für Washington noch ein "Schurkenstaat" war und Sanktionen seine Entwicklung bremsten, blieben die amerikanischen Erdöl-Konzessionen von Verstaatlichung verschont. Und obwohl Washington Amerikanern Reisen nach Libyen verboten hatte, kamen amerikanische Erdölfachleute mit Loseblattvisum nach Tripolis oder sie wurden durch Kanadier ersetzt.

US-Behörden schauten weg, wenn hochrangige Delegationen in Libyen den Investitionsbedarf für die Zeit nach der Normalisierung prüften. Auf keinen Fall wollten die Amerikaner das Feld den Europäern allein überlassen. Libyen hat die elftgrößten Reserven der Erde, sein Öl ist von bester Qualität, billig zu produzieren und nahe an den Märkten Europas.

Schon vor mehr als vier Jahren wurden in Tripolis wieder amerikanische Diplomaten angesiedelt. Im Juni 2004 wurde die Vertretung zum "Verbindungsbüro" befördert. Volle diplomatische Beziehungen wurden dann im Mai 2006 hergestellt. Der gleichzeitig ernannte Botschafter ist jedoch immer noch nicht auf seinem Posten, da die Demokraten im Senat seine Bestätigung aufhalten. Doch die US-Ölfirmen sind längst wieder da.

Aber nicht alle amerikanischen Regierungsvertreter sind bei Gaddafi willkommen. Als Condoleezza Rices Stellvertreter John Negroponte im letzten Jahr kam, auch er schon der hochrangigste Abgesandte seit einem halben Jahrhundert, wurde er vom Revolutionsführer nicht empfangen. Erst vor wenigen Tagen sagte Gaddafi zur Revolutionsfeier, der Streit mit den USA sei für immer begraben. Freundschaft wolle er nicht. "Wir möchten nur in Ruhe gelassen werden."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: