Muammar al-Gaddafi ist als mutmaßlicher Kriegsverbrecher international zur Fahndung ausgeschrieben. Ist das juristisch gerechtfertigt? Ja. Wird es Libyen helfen? Kaum. Das mächtigste Militärbündnis der Welt trachtet Gaddafi inzwischen offen nach dem Leben.
Dass er nun ausgerechnet nach der Entscheidung aus Den Haag in die Knie geht, ist nicht zu erwarten. Er kann zwar nicht mehr viel reisen, weil er dann die Festnahme riskieren würde. Aber Gaddafi wird auch so kaum noch eine Fahrt unternehmen wollen. Die meisten Länder würden ihn nicht über die Grenze lassen. Ein paar Ausnahmen bleiben - siehe Sudans Präsident Omar al-Baschir, der als einziger per Haftbefehl gesuchte Staatschef in Qatar, Ägypten und Tschad auftauchte.
Der Haftbefehl gegen Gaddafi ist also symbolisch. Beeindrucken wird es ihn nicht. Auch die Nato wird ihn nicht festnehmen. Dazu bräuchte sie Bodentruppen, die sie nicht hat, und ein neues UN-Mandat, das sie nicht bekommt. Dass die Rebellen Gaddafi an Den Haag ausliefern - sollten sie ihn lebend in die Finger bekommen -, ist nach allem Leid kaum vorzustellen. Was also bringt die Gerichtsentscheidung? Lediglich ein Wohlgefühl für eine Wertegemeinschaft?
Zunächst richtet der Haftbefehl kaum Schaden an. Dass die Richter Gaddafi in die Ecke drängen, hätte vor drei Monaten noch plausibel geklungen. Inzwischen hat sich Gaddafi in eine Lust am Untergang hineingesteigert, die das Schlimmste befürchten lässt. Der Libyen-Konflikt war ein Beispiel für eine schnelle, vielleicht übereilte Reaktion der Weltgemeinschaft auf den Krieg eines Regimes gegen das eigene Volk. Der Haftbefehl zeugt vom selben Eifer - und wird diesen Krieg auch nicht beenden.