Libyen-Affäre:Auf Umwegen in den Urlaub nach Nordafrika

Das nordrhein-westfälische Innenministerium prüft, ob Beamte auch in anderen Ländern Anti-Terror-Einheiten geschult haben.

J. Nitschmann, P. Blechschmidt und H. Leyendecker

Im nordrhein-westfälischen Innenministerium gibt es den Verdacht, dass die Ausbildung libyscher Sicherheitsdienste durch Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) kein Einzelfall gewesen sein könnte. Aus Düsseldorfer Sicherheitskreisen erfuhr die Süddeutsche Zeitung, das Ministerium prüfe, ob Beamte während ihres Urlaubs auch in anderen Ländern Sicherheitskräfte beim Personenschutz und der Terrorbekämpfung geschult hätten.

Libyen-Affäre: Heiterkeit in Tripolis: Der damalige Kanzler Gerhard Schröder wurde im Oktober 2004 von Revolutionsführer Muammar el-Gaddafi empfangen. Der SPD-Politiker schließt aus, Zusagen gemacht zu haben.

Heiterkeit in Tripolis: Der damalige Kanzler Gerhard Schröder wurde im Oktober 2004 von Revolutionsführer Muammar el-Gaddafi empfangen. Der SPD-Politiker schließt aus, Zusagen gemacht zu haben.

(Foto: Foto: dpa)

Die Sprecherin des NRW-Innenministeriums bestätigte am Montag auf Anfrage, dass derzeit die Urlaubsanträge und Nebentätigkeits-Genehmigungen der landesweit etwa 700 SEK-Beamten überprüft würden. Diese Anweisung habe Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) einer Sonderkommission beim Polizeipräsidenten erteilt. Die Soko "EK Juli" war von Wolf Mitte vergangenen Jahres eingesetzt worden, als er vom Düsseldorfer Landeskriminalamt (LKA) über die Schulungstätigkeit für libysche Sicherheitskräfte alarmiert worden war.

Im Juli vergangenen Jahres hatte Wolf bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen acht SEK-Beamte Strafanzeige wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen erstattet. Gegen alle Beamten laufen Disziplinarverfahren. Die Düsseldorfer Strafverfolgungsbehörde hat aber nur gegen einen Beamten ein Verfahren wegen Verdachts des Geheimnisverrats eingeleitet. Bei dem Beamten sollen interne Ausbildungspläne gefunden worden sein.

In Vernehmungen habe der Beamte behauptet, seinen Vorgesetzten über die Reise nach Libyen informiert zu haben. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen aber ergeben haben, dass er lediglich einen Urlaub in dem nordafrikanischen Land angekündigt hatte. In etlichen Fällen sollen Elitepolizisten ihre eigenmächtige Ausbildertätigkeit als Tunesien-Urlaub getarnt haben. Auch sollen sie nicht direkt, sondern auf Umwegen über andere Staaten nach Libyen eingereist sein, um beim Bundesnachrichtendienst oder anderen Behörden keine Spuren zu hinterlassen.

Insgesamt sollen etwa 30 aktive und frühere Beamte von SEK-Einheiten oder der GSG9 in den Skandal verwickelt sein. Einige der ehemaligen GSG-9 Beamte sollen Verbindungen zu Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Tripolis gehabt haben.

In den Disziplinarakten und in der Akte der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gibt es allerdings keinerlei Hinweise auf eine Beteiligung des Kanzleramtes - dessen damaliger Chef Gerhard Schröder (SPD) zweimal mit Staatschef Muammar el-Gaddafi zusammengetroffen war - deutscher Bundesministerien oder -behörden an der Schulung der Sicherheitskräfte. Auch gibt es in den Unterlagen keine Erkenntnisse über eine angebliche Einbindung des Bundesnachrichtendienstes (BND) oder der deutschen Botschaft in Tripolis. Keiner der Beamten hat bislang bei Vernehmungen und Anhörungen gesagt, er sei davon ausgegangen, die Regierung sei über die Ausbildung informiert oder habe diese sogar gewollt.

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Auf Umwegen in den Urlaub nach Nordafrika

Rätselhaft erscheint die Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums in der Affäre. Das Ministerium hatte bereits im Frühjahr 2006 erfahren, dass ein Hauptfeldwebel der Feldjäger versucht hatte, Kameraden für eine Tätigkeit in Libyen anzuwerben. Dieser hat allerdings in Libyen nicht ausgebildet. Dem Soldaten wurde am 11. April 2006 die Ausübung des Dienstes untersagt. Zwei Monate später wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

"In engem Kontakt zu Behörden"

Während dieses Verfahrens soll dann früh bekannt geworden sein, dass der Soldat für die private Sicherheitsfirma BDB Protection in Niedersachsen Kameraden anwerben wollte. Dennoch hat das Ministerium weder die zuständigen Landeskriminalämter, noch das Bundesinnenministerium oder das Kanzleramt über den Fall unterrichtet. Der im Innenministerium zuständige Staatssekretär, August Hanning, soll erst im November 2007 über die Ausbildungshilfe unterrichtet worden sein.

Allerdings nicht durch das Verteidigungsministerium, sondern über das nordrhein-westfälische Innenministerium. Dennoch heißt es aus dem Verteidigungsministerium, es habe in "engem Kontakt zu Behörden" gestanden. Welche Behörden das gewesen sein sollen, wie eng der Kontakt war, teilte das Ministerium nicht mit. Der Wehrdisziplinaranwalt hatte lediglich im Sommer 2006 den BND nach Hintergründen über die in Tripolis tätige deutsche Sicherheitsfirma befragt.

"So was ist eine Sauerei"

Schon Monate vorher hatte nach SZ-Informationen der Resident des BND die Zentrale über die Polizeiausbildung durch die deutsche Firma unterrichtet. Er war am Rande eines Fußballspiels Monate zuvor mit dem Inhaber der Sicherheitsfirma zusammengetroffen. Nachdem sich der Wehrdisziplinaranwalt beim Nachrichtendienst erkundigt hatte, erteilte die BND-Zentrale in Pullach bei München dem Residenten Kontaktverbot. Die Zentrale soll den Berichten wenig Bedeutung beigemessen haben. "Wenn es um Polizei geht, ist der BND nicht zuständig", sagt ein Insider. Da fehle es "mitunter auch an Sensibilitäten".

Das Bundesinnenministerium bestätigte eine Reise von Spezialisten des Bundeskriminalamts nach Tripolis im Sommer 2006. Dabei sei es aber vor allem um Fragen bei der Terrorbekämpfung und der Migration gegangen. "Es gibt Gespräche mit Libyen, aber bislang keine Kooperationen", betonte ein ranghoher Beamter des Innenministeriums.

Diskussionen gibt es auch über die Nebentätigkeiten von Spezialkräften der Polizei. Der Geschäftsführer der nordrhein-westfälischen Gewerkschaft der Polizei, Heinz Rump, betonte, eine Vermischung von Tätigkeiten für die Polizei und privaten Sicherheitsdienste sei sowohl im Inland als auch im Ausland "untragbar". "So was ist eine Sauerei." Der Gründer der GSG9, Ulrich Wegener, betonte im Gespräch mit der SZ, solche Ausbildungen dürfe es "immer nur mit Wissen der Bundesregierung geben. Alles andere ist nicht in Ordnung." Wenn auch noch Geheimnisverrat ins Spiel komme, bekämen die Beamten "zu Recht ein Problem".

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