Liberia:Vom Slum ins höchste Amt

Ex-Fußballstar George Weah siegt bei der Stichwahl um das Präsidentenamt. Von seinen Gegnern wurde Weah wegen seiner geringen Bildung einst verspottet.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Liberia: Eine liberianische Zeitung titelt: "Wird Weah Präsident?" Es wäre der erste demokratische Machtwechsel seit 1944.

Eine liberianische Zeitung titelt: "Wird Weah Präsident?" Es wäre der erste demokratische Machtwechsel seit 1944.

(Foto: Seyllou/AFP)

Der ehemalige Weltfußballer George Weah wird neuer Präsident Liberias. Der 51-Jährige ging als klarer Sieger aus der Stichwahl um das höchste Staatsamt hervor. Die Wahlkommission teilte am Donnerstagabend nach Auszählung fast aller Stimmen mit, dass Weah auf 61,5 Prozent gekommen sei. Sein Konkurrent, Vizepräsident Joseph Boakai von der regierenden Einheitspartei (UP), erhielt demnach 38,5 Prozent . Internationale Wahlbeobachter sprachen von einem fairen Urnengang, für Liberia wäre es der erste friedliche und demokratische Machtwechsel seit 1944. "Das liberische Volk hat gewählt, und wir sind sehr zuversichtlich, was das Ergebnis betrifft", ließ Weah auf Twitter verbreiten. Die Beteiligung war offenbar deutlich niedriger als in der ersten Wahlrunde, die Weah mit 44,4 Prozent für sich entschieden hatte, Boakai war auf 33,1 Prozent gekommen.

Liberia gehört zu den ärmsten Ländern Afrikas, etwa 80 Prozent der vier Millionen Einwohner haben keine regelmäßige Arbeit. Von 1989 bis 2003 starben etwa eine Viertel Million Menschen in zwei Bürgerkriegen. 2014 kamen Tausende Menschen durch die Ebola-Epidemie um. Die scheidende Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf wurde 2011 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, weil sie das Land befriedet habe. Wirtschaftlich gab es aber nur zähe Fortschritte. Eine kleine Elite verschaffte sich Wohlstand, für die Masse änderte sich wenig. "Zwölf Jahre haben sie gar nichts getan, haben die Ressourcen des Landes missbraucht", sagte Weah im Wahlkampf.

Er trat bereits bei den Wahlen 2005 gegen Johnson Sirleaf an, unterlag aber klar. Damals wurde er von seinen Gegnern wegen seiner geringen Bildung verspottet, Weah wuchs in einem Slum der Hauptstadt Monrovia auf, der Vater starb früh. Er verließ die Highschool vorzeitig und arbeitete in einer Telefonfirma, steckte die damals noch analogen Verbindungen zusammen, bis das Straßenleben interessanter wurde. Tagsüber Fußball spielen, in den Nächten ein bisschen Kleinkriminalität. "Ich ließ keine Dummheit aus", sagt Weah heute. Der Fußball brachte ein neues Leben und ihn nach Europa, zu den Klubs, von denen afrikanische Jungs träumen: Milan, Manchester, Chelsea, PSG und Monaco. Nach seiner Karriere gründete er die Democratic Change Party (CDC), mit der er im ersten Anlauf um die Präsidentschaft deutlich scheiterte. Weah holte den Schulabschluss nach und studierte an einer Universität in Florida Management, "es ist nie zu spät im Leben, um etwas zu lernen", rief er den Gegnern von früher zu.

Aus seiner Niederlage hatte Weah gelernt, dass er mehr Verbündete brauchte, um an die Macht zu kommen. Dazu tat er sich mit Jewel Howard Taylor zusammen, die er zu seiner Kandidatin für das Amt der Vize-Präsidentin machte. Sie ist die Ex-Frau des berüchtigten Charles Taylor, der Liberia von 1997 bis 2003 regierte. Taylor wurde 2012 von einem internationalem Sondergericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 50 Jahren Haft verurteilt. Jewel Howard Taylor sagte im Wahlkampf immer wieder, dass sie die "Agenda" ihres Mannes weiter verfolgen werde, womit sie seine Versprechen an die arme Bevölkerung meinte. Bei ihrer Wahl in den Senat 2014 soll Howard Taylor damit geworben haben, dass sie im Falle eines Wahlsieges ihren Ex-Mann aus dem Gefängnis befreien werde. Taylor hat trotz seiner Verbrechen Anhänger in Liberia, vor allem bei der Jugend, die seine Zeit nicht erlebt hat.

Während des Wahlkampfes wurde vermutet, dass sich Charles Taylor selbst wieder in die Politik einmische, gar der Königsmacher für Weah werden könnte. Der hat jeden Kontakt bestritten und auch angekündigt, er werde nichts unternehmen, um den Ex-Diktator aus dem Gefängnis zu holen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: