Liberale stellen Steuerkonzept vor:Die FDP halbiert ihr Versprechen

Von den Ankündigungen aus dem Wahlkampf hat sich die FDP weit entfernt: Reichensteuer und Spitzensteuersatz bleiben unangetastet. Ihr wichtigstes Versprechen stutzt sie mal eben um die Hälfte.

Thorsten Denkler, Berlin

Den Steuersenkungsversprechen der FDP geht es derzeit so wie den Umfragewerten der Partei: Innerhalb kürzester Zeit hat sie beides um die Hälfte reduziert.

Im Wahlkampf 2009 tönten die FDP-Vorderen noch, sie werden die Menschen mit einem einfachen, niedrigen und gerechten Steuersystem beglücken. Dafür sollte der Staat auf 35 Milliarden Euro Einnahmen verzichten.

An diesem Dienstag stellten der ewige FDP-Steuerfachmann Hermann Otto Solms und der liberale NRW-Chefwahlkämpfer Andreas Pinkwart ein aktualisiertes Konzept vor. Übrig bleiben von den einst hochtrabenden Plänen lediglich 16 Milliarden Euro.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier frotzelt bereits: "Statt Westerwelle pur jetzt Westerwelle light."

Seit gefühlten einhundert Jahren predigt die FDP den Bürgern ein einfacheres und zugleich gerechteres Steuersystem. Jetzt regiert sie mit, da sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht klappt.

Doch zunächst einmal mussten die Liberalen ihre Vorstellungen den Realitäten anpassen. Finanz- und Wirtschaftskrise und ein entsprechend zurückhaltender Koalitionspartner haben manches Luftschloss platzen lassen. Ursprünglich wollte die FDP ein Steuersystem mit drei Grundtarifen: 15, 25 und 35 Prozent.

Jetzt sind daraus fünf Stufen geworden. 14, 25 und 35 Prozent lauten die ersten drei Sätze bei Einkommen zwischen 8000 und 53.000 Euro. Beibehalten wird der Spitzensteuersatz von 42 Prozent, der bei einem Verdienst bis 250.000 Euro anfällt - und dann die Reichensteuer von 45 Prozent, die ab 250.000 Euro Jahreseinkommen zu zahlen ist.

Vor der Bundestagswahl hatte Parteichef Guido Westerwelle noch gegen Reichenabzocke und den zu hohen Spitzensteuersatz gewettert, weil der bereits bei Facharbeitereinkommen fällig werde.

Liberaler Schönheitsfehler

Solms nennt das nach der Präsentation den "Schönheitsfehler" in seinem Modell. Das Ziel sei jetzt nun aber gewesen, etwas für die Mittelschicht zu tun.

Das soll wohl auch die Botschaft der FDP an die Wähler in Nordrhein-Westfalen sein. Schwarz-Gelb steht dort auf der Kippe. Wenn die FDP in Düsseldorf am 9. Mai ihre Regierungsbeteiligung verliert, hat Schwarz-Gelb auch keine Mehrheit mehr im Bundesrat. Größere Steuersenkungspläne wären damit Makulatur und die FDP wäre in ihrem Kernthema ausgebremst.

Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, haben Solms und Pinkwart auch Sparvorschläge in den Leitantrag für den Bundesparteitag in zwei Wochen in Köln geschrieben. Konkret werden sie aber nur bei den Kohlesubventionen, deren Auszahlung sie zwei Jahre früher beenden wollen - also 2016. Eine halbe Milliarde Euro soll dabei jährlich drin sein.

Ansonsten dominieren Schätzgrößen die Liste für die Gegenfinanzierung. Mit insgesamt acht Milliarden Euro beziffern sie den erhofften Selbstfinanzierungseffekt der 16-Milliarden-Euro Reform. Manche Experten warnen davor, den Effekt zu überschätzen. Die FDP will Leistungen "effizienter" gestalten, Ausgaben "überprüfen", die Arbeitsmarktpolitik "konzentrieren" und Steuervergünstigen "ohne Tabu" (Solms) hinterfragen.

Na ja, ein Tabu scheint es doch schon zu geben: Die mit Jahreswechsel eingeführte umstrittene Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen wird wohl unangetastet bleiben.

Spannende Debatte über Sparmöglichkeiten

Die Steuerreform soll nach Willen der FDP spätestens am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Spannend dürften die Diskussion also werden, wenn im kommenden Jahr die Sparvorschläge konkretisiert werden. Geld einnehmen ließe sich bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen, die zum Teil wohl von sieben auf 19 Prozent angehoben werden. Denkbar sind aber auch Kürzungen bei Steuervergünstigungen wie etwa den Nachtzuschlägen bei Krankenschwestern.

Noch steht auch eine Zustimmung der Union zu dem Konzept aus. Die will erst mal die Steuerschätzung im Mai abwarten. Danach könnten selbst 16 Milliarden Euro Entlastung noch als zu ambitioniert angesehen werden. Solms hat schon angekündigt, dies möglicherweise als Bruch des Koalitionsvertrages zu werten.

Im Koalitionsvertrag seien 24 Milliarden Euro Entlastung festgeschrieben. Acht Milliarden seien mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz bereits verwirklicht. An den restlichen 16 Milliarden gebe es nichts zu rütteln. Im Koalitionsvertrag steht aber auch die goldene Regel, wonach alles unter Finanzierungsvorbehalt stehe. Solms will diese Regel aber nur für zusätzliche Ausgaben angewandt sehen. Nicht für die vereinbarten Entlastungen. Der nächste Ärger in der Koalition scheint programmiert zu sein.

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