Liberale nach Bayern-Wahldebakel:"Für die FDP geht es jetzt ums Ganze"

Landtagswahl Bayern ? Wahlabend FDP

Enttäuschung auch bei der FDP in Berlin: Außenminister Guido Westerwelle (links) und Gesundheitsminister Daniel Bahr am Wahlabend

(Foto: dpa)

In Bayern sind die Liberalen krachend gescheitert. Ein schlechtes Zeichen für die Bundestagswahl? FDP-Politiker Bahr betont die existenzielle Bedeutung des anstehenden Wahlgangs. Die Parteispitze setzt auf einen "Weckruf" für Wähler und eine Zweitstimmenkampagne. Die Union ist allerdings nicht gewillt, da mitzumachen.

Bei der Landtagswahl in Bayern ist die FDP desaströs gescheitert - und kam mit etwas mehr als drei Prozent nicht einmal in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde. Doch was bedeutet das Landesergebnis für die Bundestagswahl kommenden Sonntag? Die Liberalen geben sich kämpferisch - und hoffen, dass das miese Abschneiden in Bayern potenzielle FDP-Wähler nicht abschreckt, sondern mobilisiert.

FDP-Politiker Daniel Bahr betonte im Tagesspiegel die Bedeutung des Abschneidens seiner Partei bei der Bundestagswahl: "Für die FDP geht es jetzt ums Ganze, es geht auch um die Existenz einer freiheitlichen Partei", sagte der Bundesgesundheitsminister. Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, dass "alle Wählerinnen und Wähler jetzt wachgerüttelt" seien.

"In Bayern ticken die Uhren anders. Ab jetzt geht es um Deutschland", sagte FDP-Chef Philipp Rösler in Berlin. Und betonte: Das Wahlergebnis sei ein "Weckruf für alle Liberale". Die FDP, bislang Koalitionspartner der CSU, hat mit drei Prozent den Wiedereinzug in den Bayerischen Landtag verpasst. Die CSU von Ministerpräsident Horst Seehofer kann künftig wieder allein regieren.

Ähnlich wie Rösler äußerte sich Vize-Parteichef Holger Zastrow. Das Ergebnis habe viele Wähler aufgeschreckt und sensibilisiert, sagte er der Bild-Zeitung. Diese würden sich jetzt genau überlegen, "was passiert, wenn die FDP gar nicht oder nur schwach im nächsten Bundestag sitzt". Er könne sich gut einen "Niedersachsen-Effekt" mit zahlreichen Leihstimmen aus der Union bei der Bundestagswahl vorstellen.

Auch FDP-Generalsekretär Patrick Döring warb am Montag erneut um Zweitstimmen bei der Bundestagswahl. Es könne "sehr klug sein", dass Wähler am kommenden Sonntag die schwarz-gelbe Koalition unterstützen, "indem sie einen starken Kandidaten vor Ort von der Union unterstützen und mit der Zweitstimme die FDP wählen", sagte Döring im ZDF-"Morgenmagazin".

"Bluttransfusion von der Union"

FDP-Präsidiumsmitglied Wolfgang Kubicki rief seine Partei in der Welt hingegen dazu auf, sich auch inhaltlich stärker von der Union abzugrenzen. Bei der Bundestagswahl in einer Woche dürfe die FDP sich nicht auf eine Zweitstimmenkampagne der Union verlassen, sagte er. "Taktische Spielereien reichen jetzt nicht", sagte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef. "Inhaltliche Positionierungen müssen dazukommen - auch in Abgrenzung zu Union".

Kubicki verlangte von seiner Partei eine Schärfung ihres Profils. "Wir müssen deutlich machen: Die FDP ist nicht das Additiv zur Union, sondern in bestimmten Bereichen die Alternative. Wir wollen nicht der Union zur Mehrheit verhelfen, sondern eigene Schwerpunkte setzen."

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann zog aus dem miserablen FDP-Ergebnis in Bayern die Schlussfolgerung: "Jetzt beginnt in der Koalition die Panik." Die FDP werde bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag nur dann eine Chance haben, "wenn ihr eine große Bluttransfusion von der Union gelingt".

Die Union zeigt sich bislang allerdings nicht gewillt, bei der Bundestagswahl Stimmen an den kleineren Koalitionspartner abzugeben. Bayerns Wahlsieger und CSU-Parteichef Horst Seehofer schloss eine solche Schützenhilfe für die FDP aus: "Es gibt keine Leihstimmen." Die FDP habe - auch in Bayern - ein "riesiges Wählerpotenzial". Das sei aber eine Aufgabe, die die FDP bewältigen müsse.

"Jeder kämpft für sich allein", sagte auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner vor der CDU-Präsidiumssitzung. Die Union werde dafür kämpfen, dass sie beide Stimmen am kommenden Sonntag bekomme.

Union buhlt selber um Zweitstimmen

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich klar gegen eine Zweitstimmenkampagne seiner Partei zugunsten der FDP aus. "Es gibt keine Koalitions-Wahlkämpfe", sagte Kauder im ZDF-"Morgenmagazin". Seine Partei brauche beide Stimmen: "Wer die Bundeskanzlerin behalten möchte, der wird auch die Zweitstimme der CDU geben müssen." CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hatte bereits am Sonntag in der Süddeutschen Zeitung einer Zweitstimmenkampagne zugunsten der FDP eine Absage erteilt. Auch mehrere Landesverbände der CDU lehnten es im Handelsblatt online ab, die schwächelnde FDP auf diese Art zu unterstützen.

Keine Hilfe von der CDU

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) forderte für die letzten Tage des Bundestagswahlkampfes zudem eine scharfe inhaltliche Abgrenzung der Union von der FDP. In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung sagte Altmaier als Schlussfolgerung aus dem Ergebnis der Bayernwahl: "Wir werden uns in den letzten Tagen noch einmal deutlich von der FDP abgrenzen." Die FDP könne aus eigener Kraft sicher den Einzug in den Bundestag schaffen. Hilfe von der CDU "kann und wird es nicht geben".

Ein schärferer Wind könnte den Liberalen auch von den Grünen entgegenwehen, die in Bayern mit nicht einmal neun Prozent ebenfalls ein für sie enttäuschendes Ergebnis einfuhren. Renate Künast, Fraktionsvorsitzende im Bundestag, kündigte in der Leipziger Volkszeitung eine schärfere Auseinandersetzung mit der FDP an. Den Liberalen warf sie vor, sie wollten die erneuerbaren Energien "kaputtmachen". Sie wolle es als "Lobbyismus" entlarven, dass der Wahlkampf der FDP von privaten Krankenkassen gesponsert werde.

Auch der SPD ist wenig an einem Erfolg der Liberalen gelegen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht bei einem Scheitern der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde größere Chancen für einen rot-grünen Erfolg bei der Bundestagswahl. "Wäre die FDP nicht im Bundestag, steigen die Chancen deutlich für Peer Steinbrück, Kanzler zu werden", sagte Gabriel in Berlin.

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