Lesergeschichten zur Bundestagswahl:"Die sollte man vor allen Lokalen aufstellen, dann gehen mehr Leute wählen"

Schwimmendes Tierheim für Katzen

Unter dem Hashtag #meinwahltag erzählen Leser, wie sie den 24. September 2017 erlebt haben.

(Foto: dpa)

Wir haben unsere Leser gefragt, wie sie den Wahltag verbracht haben. Anekdoten aus der Zeit zwischen Sonntagsbrötchen, Tischtennisturnier - und dem demokratischen Privileg.

Rund 61,5 Millionen Wahlberechtigte waren an diesem Sonntag aufgerufen, den 19. Bundestag zu wählen. Viele SZ-Leser haben unter dem Hashtag #meinwahltag erzählt, wie sie ihre Stimmabgabe erlebt haben. Eine 29-jährige Leserin erzählt:

"Wir, mein Partner und ich, haben uns gegen 11 Uhr mit unserem Nachbarn auf ein gemütliches Frühstücken getroffen. Gesprächsthema war natürlich die Wahl: Gehen ja, aber was wählen? Für mich war es schon lange klar, die beiden Männer waren unentschlossen. Ein kleiner Wahl-O-Mat-Test brachte Klarheit für zumindest einen. Anschließend machten wir uns auf den Weg und waren erstaunt, wie voll das Wahllokal war. Wir gehen seit Jahren zusammen wählen. Dieses Mal war es das erste Mal mit Anstehen. Wir waren alle bestätigt in unserer Überzeugung, dass diese Wahl uns alle etwas angeht." (Anonym, 29 Jahre)

Dass es wichtig ist, überhaupt wählen zu gehen, betonen die Leser in ihren Berichten vom Wahltag immer wieder. Der Leser Salvatore P. besitzt seit 2003 die doppelte Staatsgehörigkeit - und ist sich seiner Verantwortung bewusst:

"Anders als bei den vorangegangen Kommunal- und Landtagswahlen habe ich mich dieses Mal entschlossen, nicht vorab im Bezirksrathaus zu wählen, sondern meine Stimme 'live am Wahltag' in der benachbarten Schule abzugeben. Meine Wahlentscheidung stand seit vielen Monaten fest. Dennoch habe ich die Diskussionen und Umfragen der letzten Monate mit großem Interesse (und mancher Besorgnis) wahrgenommen. In der Wahlkabine habe ich mir etwas Zeit genommen und noch einmal den Wahlzettel studiert. Hie und da musste ich schmunzeln, bei der einen oder anderen Partei schauderte es mich. Dann habe ich meine beiden Kreuze gemacht. Die Stimmung im Wahllokal war gelöst und freundlich. Als 'Gastarbeiterkind' besitze ich erst seit 2003 die deutsche Staatsangehörigkeit (genauer gesagt, die doppelte) und habe seitdem keine einzige Wahl ausgelassen. Wählen gehen zu können, ist für mich Bürgerrecht, Bürgerpflicht und immer noch, ein Privileg. Ich bin mir meiner Verantwortung jedes Mal bewusst. Und meiner Freiheit." (Salvatore P., 50 J., Köln)

#meinwahltag Bundestagswahl

Salvatore P. hat seine Stimme in Köln abgegeben.

(Foto: Salvatore P.)

Leon H. hingegen ist froh, dass er einen Freund überreden konnte, seine Stimme doch nicht verfallen zu lassen:

"Ich wohne zur Zeit übergangsweise mit einem guten Freund. Wir studieren und ziehen gerade um. Da er heute in die Heimat fährt, um Fußball zu spielen, aber auch die Wahlbenachrichtigung durch den Umzug nicht bekommen hat, meinte er von Anfang an, dass er nicht wählen würde. Ich konnte ihn jedoch noch dazu überreden, mich vor dem Wahllokal abzusetzen. Dort angekommen, brauchte es noch fünf Minuten Überredungskunst, bis er doch eben noch sein Kreuzchen gemacht hat. Dauerte zehn Minuten, auch ohne Wahlbenachrichtigung. War für ihn definitiv die bessere Wahl. Ich hätte es ihm sonst ewig vorgeworfen." (Leon H.)

Marco W. sinniert über ein besonderes Mittel zur Motivation:

"Der diesjährige Wahlgang hat sich gelohnt: Vor dem Wahllokal saß ein niedliches Kätzchen, das sich streicheln ließ. Die sollte man vor allen Lokalen aufstellen, dann gehen auch mehr Leute wählen. Allergiker nutzen den Hintereingang." (Marco W. auf Facebook)

Michael L. ist alleinerziehend. Auch er ist zwischen seinen Pflichten als Vater und der Hausarbeit gleich am Morgen zum Wahllokal gegangen:

"Als alleinerziehender Papa ist man auch sonntags schon früh auf den Beinen, zumal wenn der Sohn schon um 8.30 Uhr am Treffpunkt für das Tischtennisturnier sein muss. Vorher müssen natürlich noch die Sonntagsbrötchen besorgt werden. Ich war schon vor neun Uhr wählen und war überrascht, dass schon recht viele Mitbürger in Richtung Wahlurne unterwegs waren. Den Rest des Tages steht u. a. Hausarbeit an, denn nicht alles kann unter der Woche erledigt werden. Leider haben die Parteien allesamt wenig Interesse an Alleinerziehenden." (Michael L., 53 Jahre)

#meinwahltag Bundestagswahl

Michael L. war am Sonntagmorgen schon früh auf den Beinen - und gleich wählen.

(Foto: Michael Lippold)

Gespannte und traurige Erstwähler - und Grüße aus Australien

Die Wahlbevölkerung ist so alt wie nie zuvor. Zum ersten Mal ist mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten über 52 Jahre alt, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung errechnet hat. Mehr als jeder Dritte (36,1 Prozent) ist einer Schätzung des Bundesamtes für Statistik zufolge 60 Jahre oder älter. Doch drei Millionen Deutsche konnten bei dieser Wahl zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Ein Erstwähler erzählt:

"Ich habe meine Stimme bereits Anfang der Woche per Briefwahl abgegeben und schaue schon mit großer Spannung auf das Ergebnis heute Abend. Die letzte Bundestagswahl habe ich bereits mit hohem Interesse verfolgt - als Erstwähler ist es für mich dieses Jahr natürlich noch aufregender. Allerdings macht es mich schon etwas traurig, dass bei meiner ersten Wahl wohl eine Partei in den Bundestag einziehen wird, die einige äußerst rechte Persönlichkeiten in ihren Reihen duldet und von diesen auch einige ein Mandat für den Bundestag erhalten werden." (Tobias L., 20 Jahre, aus Bayern)

Die Erstwählerin Marie M. hingegen hat durch ein Missgeschick einen traurigen Wahltag erlebt:

"Ich verbringe als Erstwählerin meinen Wahltag frustriert und verheult - denn: Meine Briefwahlunterlagen kamen nicht an. Nicht wissend, dass ich sie hätte revidieren müssen, um doch noch an die Wahlurne gehen zu können, versuchte ich heute vor Ort selbst noch einmal mein Glück. Nichts zu machen. Die Stimme meiner jungen Generation ist wohl in der Post verloren gegangen. Schlechtes Gefühl, dass jetzt wieder eine Stimme mehr den Alten und Konservativen dieses Landes geschenkt wurde." (Marie M., 22 Jahre)

Diese Leser haben sich via Twitter vom Frühstückstisch und aus dem Zug gemeldet:

Ein Leser erzählt aus der Perspektive eines Wahlhelfers, wie er die Abstimmung erlebt hat. Langweilig ist ihm auch nach zweihundert entgegengenommenen Stimmzetteln nicht geworden:

"Wir waren dieses Mal zehn Minuten vor Wahlbeginn fertig. Um 8 Uhr trudelte schon die erste Wählerin ein, die uns erzählte, dass sie dieses Jahr leider alleine wählen muss, weil ihr Mann vor einem halben Jahr verstorben ist. Stoßweise kamen Wähler und vor allem Familien in den Wahlraum und gaben ihre Stimme ab. Wahlbenachrichtigungen annehmen, Wähler im Verzeichnis markieren, Stimmzettel ausgeben, korrekten Stimmzetteleinwurf in die Urne sicherstellen und Wähler im Verzeichnis abhaken. Fünf Stunden lang der gleiche Ablauf, immer wieder. Zweihundert Mal, bis meine Schicht vorbei war. Doch langweilig wurde es nie. Bei jedem Wähler bedankte ich mich für seine Stimme - und selbst das wurde niemals nervig. Wählen ist ein Privileg und wir sollten den Menschen danken, die sich freiwillig als Wahlhelfer melden und der Demokratie einen Gefallen tun. Heute Abend geht es zur Auszählung der Stimmen und ich bin jetzt schon gespannt, welche Partei drittstärkste Kraft wird und wie viele Menschen von ihrem Privileg Gebrauch machten." (Anonym)

#meinwahltag Bundestagswahl

"Langweilig wurde es nie", berichtet ein Wahlhelfer.

(Foto: Anonym)

Während die Bürger in Deutschland noch zu den Wahlurnen wanderten, waren manche Wähler gerade ganz woanders unterwegs, zum Beispiel in Australien, wie die 22-jährige Helena:

"Meine Stimme habe ich bereits vorletzte Woche per Briefwahl abgegeben und konnte am heutigen Wahltag daher guten Gewissens drei Stunden durch den bezaubernden Regenwald in Toolangi, Australien, wandern." (Helena, 22 Jahre)

#meinwahltag Bundestagswahl

Helenas Foto aus dem australischen Regenwald

(Foto: Helena)
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