Leserfragen an Sherko Fatah:"Bedroht der Islam den sozialen Frieden in Europa?"

Der preisgekrönte Romanautor Sherko Fatah schreibt am liebsten über den Nahen Osten, die Heimat seines Vaters. Unsere Leser haben ihm Fragen gestellt. Hier sind seine Antworten.

Wie erleben Sie die Menschen im Irak bei Ihren Reisen in die Region? Was bedeutet Freiheit für die Menschen dort, die ständig das Herannahen des Islamischen Staats (IS) fürchten? Diese Fragen haben wir dem preisgekrönten Schriftsteller Sherko Fatah in unserem Interview gestellt. Er berichtet von der Enttäuschung der Menschen im Irak, wenn statt der versprochenen Freiheit nur Bomben und Fernsehbilder ankommen. Und spricht von der Sorge, dass der IS womöglich gerade einen günstigen Moment erwischt hat (das gesamte Interview lesen Sie hier).

Im Anschluss an das Interview haben wir unsere Leser dazu aufgerufen, nachzuhaken und Fatah selbst ihre Fragen zu stellen. Seine Antworten auf ausgewählte Leserfragen lesen Sie hier:

Leserfrage: Warum schreiben Sie als Schriftsteller über so grausame Verbrecher wie die IS-Kämpfer, was fasziniert Sie daran?

Sherko Fatah: Ich schreibe in meinem jüngsten Roman "Der letzte Ort" eigentlich über einen Deutschen und seinen irakischen Dolmetscher, die entführt werden. Das sagt auch schon etwas über mein literarisches Interesse an diesem Stoff, es geht mir um die Situation der Entführung meiner beiden Protagonisten, das Zusammenprallen ihrer Kulturen in dieser Extremsituation. Die religiösen Fanatiker kamen hinzu, weil sie leider bereits Teil der Zeitgeschichte sind und im Nahen Osten eine Macht darstellen. Grausame Verbrecher sind häufiger Gegenstand der Literatur.

Leserfrage: Was denken Sie, sollte man gegen den IS unternehmen?

Man sollte ihn militärisch bekämpfen, was ja auch bereits geschieht, allerdings bislang nicht im nötigen Umfang. Die Kurden haben nicht die Truppenstärke und Ausrüstung, die irakische Armee ist zu desorganisiert. Es bleiben also nur amerikanische Bodentruppen, notwendig mit internationaler Unterstützung - auch aus Deutschland. Ein solches Bündnis könnte zudem aufholen, was versäumt wurde und robust verteidigte Flüchtlingslager als Schutzzonen für die Zivilbevölkerung aufbauen. Mir kann niemand erklären, warum die internationale Gemeinschaft dazu nicht in der Lage sein soll.

Leserfrage: Als der Übersetzer Osama im Traum die Vorbereitung auf ein Selbstmordattentat durchlebt, fühlen Sie sich sehr überzeugend in die Gedankenwelt dieser Verführten ein. Warum ist der Hass der Sunniten auf die Häretiker der Schia noch größer als der auf die "Kreuzfahrer" aus dem Westen?

Das geht zurück auf ein uraltes Schisma, eine Spaltung innerhalb des Islams. Die sunnitischen Fanatiker von heute haben diese Spaltung wieder extrem radikalisiert und damit ein ihnen nützliches Feindbild geschaffen. Dahinter stecken aber auch handfeste ökonomisch-politische Gründe: Der Irak ist zu etwa 60 Prozent von Schiiten bewohnt, die seit dem Sturz Saddams einen beachtlichen - und auch zerstörerischen - Einfluss haben.

Leserfrage: Bedrohen die konservativen Werte der islamischen Kultur den sozialen Frieden in Europa?

Die konservativen Werte des Islams sind kein grundsätzliches Problem für eine offene Gesellschaft. Aber Migration erfordert auch von den Migranten eine Anpassung. Das ist keine Strafe für sie, sondern eine Leistung, die viele erbringen wollen. Veränderung der eigenen Vorstellungen fällt nie leicht, ist hier aber notwendig. Manchmal gelingt das nur über mehrere Generationen. Der fanatische, politisierte Islam allerdings ist für den sozialen Frieden überall auf der Welt eine Gefahr.

(Redaktion: Karin Janker)

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: