Lesben und Schwule in der Union:Schwul in der Mitte

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Die CDU versucht, sich in der Mitte der Gesellschaft breitzumachen. Die Lesben und Schwulen in der Union wollen das auch. Doch zunächst müssen sie sich mit dem Rand begnügen.

Barbara Vorsamer, Hannover

Der orange-blaue Stand liegt ganz am Rand der Messehalle, auch die blauen Teppiche, die die Laufwege markieren, führen nicht dorthin. "Wir können uns unseren Standplatz nicht aussuchen", kommentiert Dirk Braitschink, Sprecher der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), den unwirtlichen Ort - der im Übrigen so schlecht gar nicht ist.

Der Stand ist auf dem Weg zu den "Kacheln". Kacheln sagt Eike Letocha, LSU-Chef in Berlin. Die Toiletten meint er. Da muss jeder ein paar Mal am Tag hin. Und auf dem Weg sieht er das weiß-orange Plakat mit dem Spruch: "Die einen kennen mich. Die anderen können mich." Das ist ein guter Wahlspruch für eine selbstbewusste Randgruppe. Noch besser ist: Der Satz stammt von Konrad Adenauer.

Trotzdem meiden die Delegierten den Stand. Sie huschen nur vorbei, manche riskieren einen kurzen Blick, schauen dann aber schnell wieder weg. Es sollen schon Abgeordnete gefragt haben, ob sie denn bei ihrem Rundgang durch die Messehalle wirklich auch bei den Schwulen vorbeischauen müssen.

Auf der Parteitags-Party am Abend vorher im Deutschlandhaus auf dem Expo-Gelände, hat das nicht anders ausgesehen: Die LSU-Vertreter haben einen Tisch mitten im Getümmel, aber sie bleiben unter sich. Richtiggehend geschnitten werden sie nicht, doch das Gespräch sucht auch keiner. Und so swingen sie sich alleine zu den blumigen 70er-Jahre-Hits durch den Abend.

"Ziemlich fatal"

Ein Herzensanliegen der Homosexuellen sorgt auf dem CDU-Parteitag für die erste aufgeregte Debatte. Unter Ziffer fünf im Grundsatzprogramm, dort wo es um die Würde des Menschen geht, heißt es, die sei für alle gleich, "unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität, Alter, von religiöser und politischer Überzeugung, von Behinderung, Gesundheit".

Da fehlt noch was, fand die LSU. Der Berliner Kreisverband Neukölln stellte einen Änderungsantrag: Auch die "sexuelle Ausrichtung" solle mitaufgenommen werden.

Die CDU-Führung wusste dies zu verhindern und schickte gleich zwei Redner ans Pult, um eine Änderung des Passus abzuwenden. Bernhard Vogel, der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, sagte, dass es eine Aufnahme der sexuellen Orientierung nicht brauche, es sei ja bereits die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften unter Ziffer 80 im Grundsatzprogramm enthalten.

Anerkennung ist gut. Aber Würde wäre besser, sagt Letocha. "Ziemlich fatal", findet er diese Art der Debatte.

Der Ethik-Fachmann der Bundestagsfraktion, Thomas Rachel, argumentiert, das Kriterium Geschlecht stehe bereits im Würde-Paragraphen drin. Und die sexuelle Orientierung falle darunter. Die LSU hält das für "eine interessante Begründung", denn das Geschlecht habe wenig mit der sexuellen Orientierung zu tun.

Aber das ist in der CDU wohl noch nicht angekommen. Die LSU unterliegt mit ihrem Antrag.

Bernhard Vogel besucht nach der Debatte den Stand der Lesben und Schwulen. Er hat im Gegensatz zu anderen Unionspolitikern keine Berührungsängste. LSU-Sprecher Dirk Braitschink berichtet, Vogel habe gesagt "'Super, dass ihr da seid". Lieber wäre Braitschink gewesen, Vogel hätte nicht zum Mikrofon gegriffen.

Der LSU fehlen Fürsprecher. "Ein homosexueller Promi auf Bundesebene wäre schön", sagt Letocha. Die Grünen haben Volker Beck, die SPD Klaus Wowereit und die FDP Guido Westerwelle. Die CDU hat keinen.

Abschreckender Präzedenzfall

Zumindest keinen, der sich öffentlich profiliert. Von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust ist zwar bekannt, dass er schwul ist. Doch anders als Wowereit und Beck ist er weder ein aktiver Kämpfer für Homosexuellenrechte, noch inszeniert er sich aktiv als Schwuler.

Homosexuelle in der Union wollen ihre sexuelle Orientierung nicht unbedingt öffentlich machen. Die Anzahl ihrer Mitglieder sei im "unteren dreistelligen Bereich", sagt Letocha. Das habe auch damit zu tun, dass eine Mitgliedschaft in der LSU einem öffentlichen Outing gleichkomme.

Vielleicht schreckt auch die Geschichte von Annette Schavan ab. Ihr haben beim Rennen um die Nachfolge von Ministerpräsident Erwin Teufel Gerüchte um ihre angebliche Homosexualität geschadet. Ministerpräsident wurde Günther Oettinger. Schavan floh nach Berlin ins bedeutungsarme Forschungsministerium.

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