Leopard-Lieferung an Saudi-Arabien:In moralisch vermintem Gebiet

Saudi-Arabien verdient als Bollwerk gegen Iran, Ruhepol im tosenden arabischen Meer und unverzichtbarer Öllieferant Hilfe. Doch es ist die falsche Politik, ein Regime mit einer Panzerlieferung zu stabilisieren - und bringt die Bundesregierung in Verdacht, die Dynamik des Arabischen Frühlings falsch zu lesen.

Stefan Kornelius

Die Bundesregierung wird wegen ihrer Zustimmung zu der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien in schwere Bedrängnis geraten. Das hat sie verdient, denn das Rüstungsgeschäft ist in vielfacher Hinsicht zwar realpolitisch begründbar, am Ende aber nicht zu verantworten. Deswegen hätte der Export nicht genehmigt werden dürfen. Interessant ist, dass die Bundesregierung nun offenbar einen Logenplatz im Theater der Super-Realisten einnehmen möchte. Dass sie über diese Rolle im Detail schweigt, ist - nebenbei erwähnt - zwingend: Das Gesetz verpflichtet die Entscheider im Bundessicherheitsrat zur Verschwiegenheit. Wer redet, macht sich strafbar.

Ein bisschen mehr öffentliche Analyse über das sich wandelnde sicherheitspolitische Umfeld auf der Arabischen Halbinsel hätte den Berliner Strategen gleichwohl einigen Ärger erspart. Denn die Geopolitik auf der Arabischen Halbinsel ist das wichtigste Argument für die Befürworter des Exports, und die hat sich massiv verändert. Seit zehn Jahren entwickelt sich Saudi-Arabien zum Bollwerk gegen Iran, der gerade wieder mit einer Blockade der Straße von Hormus gedroht hat. Saudi-Arabien muss als Regionalmacht iranischem Druck widerstehen können, der über Syrien, Irak und Bahrain spürbar werden könnte. In dieser Konstellation ist Saudi-Arabien im Geiste verbündet mit Israel, weshalb lauter Widerspruch aus Jerusalem gegen das Panzergeschäft nicht zu erwarten ist.

Saudi-Arabien wird außerdem als unmittelbarer Nachbar des Jemen mit Terror und Stammesgewalt zu kämpfen haben und einen Übergriff der Anarchie auf sein Territorium verhindern müssen. Und schließlich gibt es ein Interesse, Saudi-Arabien als weltwichtigsten Öllieferanten zu stabilisieren. Für all dies verdient das Land Hilfe.

Spätestens dann aber führt die Argumentation in moralisch vermintes Gebiet. Denn die andere Funktion des Leopard 2 liegt für das saudische Regime im Inneren. Auch das Königshaus muss Aufstände und Unruhen befürchten. Panzer sind zwar keine bevorzugte Waffe gegen Aufständische, aber sie können dennoch gegen das eigene Volk eingesetzt werden - genauso wie die Handfeuerwaffen und die Munition für Maschinenpistolen, Granatwerfer, Kanonen, Mörser, Jagd- und Sportwaffen, die ausweislich etwa des Rüstungsexportberichts 2004 schon mit Billigung der rot-grünen Regierung nach Saudi-Arabien expediert worden sind.

Entschuldigt die Exportpolitik der Vorgänger und die geopolitische Situation den Panzer-Deal? Gibt es eine Bringschuld der Regierung der Rüstungsindustrie gegenüber, die sich in der arabischen Welt behindert sieht? Nein, denn das oberste Gebot deutscher Rüstungsexport-Politik ist die Zurückhaltung. Es ist die falsche Politik, ein Regime im Inneren mit einer Panzerlieferung zu stabilisieren. Nach dem "Nein" zu einem Einsatz in Libyen gerät die Regierung mehr und mehr in Verdacht, die Dynamik des Arabischen Frühlings falsch zu lesen.

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