Leitzins:Draghi drückt die Zinsen auf null

Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins auf ein historisches Tief. Geldanlage und Altersvorsorge werden damit auf Jahre hinaus schwieriger. An der Börse kommt die Entscheidung zunächst gut an.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Im Kampf gegen die Konjunkturschwäche im Euro-Raum hat die Europäische Zentralbank (EZB) überraschend zu einer dramatischen Maßnahme gegriffen: Sie hat den Leitzins auf null Prozent abgesenkt und den Strafzins für Bankeinlagen auf 0,4 Prozent erhöht. So billig war Geld noch nie. "Die Zinsen werden für eine sehr, sehr lange Zeit niedrig bleiben", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag. Eine weitere Absenkung sei derzeit zwar nicht absehbar. "Doch neue Fakten können die Lage verändern", so Draghi.

Die Entscheidung der Notenbank zementiert die niedrigen Erträge für deutsche Sparer auf Jahre hinaus. Pensionskassen und Versorgungswerke investieren die Anlagegelder im Schnitt zu 90 Prozent in Anleihen. Doch die werfen durch die Niedrigzinspolitik der EZB fast nichts mehr ab. Auch deshalb kaufen sehr viele Deutsche jetzt Häuser und Wohnungen. Die Immobilienpreise steigen seit Jahren, vor allem in den Großstädten. "Durch die Niedrigzinspolitik wächst das Risiko einer Immobilienblase", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Die niedrigen Zinsen belasten auch die Banken. Viele Institute nehmen hohe Kundeneinlagen gar nicht mehr an, weil sie das überschüssige Geld auf ihrem EZB-Konto parken und dort Strafzins bezahlen müssen. Einige Sparkassen in Bayern erwägen deshalb schon, ihre Überschüsse bar in Tresoren zu lagern. Die Geldhäuser geben die Strafzinsen zum Teil schon an Geschäftskunden weiter. Die Privatkunden werden bislang verschont. Zum einen möchte keine Bank den Anfang machen mit dieser unpopulären Entscheidung. Zum anderen könnte die Situation eskalieren, wenn allzu viele Sparer ihr Geld in bar abheben, um den Strafzins zu umgehen. Die Gefahr eines Bankenansturm ist nicht zu unterschätzen. Die Banken belasten die Privatkunden jedoch auf anderem Wege. Vielerorts steigen Konto- und Kartengebühren.

Der EZB-Rat hat am Donnerstag auch entschieden, das Anleihekaufprogramm um 240 Milliarden Euro auf jetzt rund 1,7 Billionen Euro auszuweiten. Erstmals wird die EZB auch Unternehmensanleihen kaufen. Das Maßnahmenpaket insgesamt soll die Euro-Zone auf Wachstumskurs bringen und die Inflation anheizen. Im Februar waren die Preise in der Währungsunion um 0,2 Prozent gesunken.

Draghi konterte die vor allem in Deutschland geäußerte Kritik an seinem Vorgehen. "Stellen Sie sich vor, die EZB hätte vor zwei Jahren diesen ,Nein-zu-allem-Kurs' eingeschlagen. Europa würde jetzt in einer desaströsen Deflation stecken." In einer Deflation sinken die Preise in allen Wirtschaftsbereichen. Das kann gefährlich sein. In Japan führte die Deflation zu einer jahrzehntelangen Wirtschaftskrise.

An der Börse näherte sich der Dax zunächst der Marke von 10 000 Punkten, fiel dann aber wieder auf unter 9500 Punkte. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnte jüngst, die Geldpolitik der EZB erhöhe die Ungleichheit: Längst nicht alle Menschen profitierten von den steigenden Aktienkursen.

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