Lehmann zur Holocaust-Leugnung:"Das kann so nicht stehenbleiben"

Holocaust-Leugner Williamson fordert Bedenkzeit - doch Kardinal Lehmann sieht für ihn keinen Platz in der Kirche, falls er nicht umgehend widerruft.

Kardinal Karl Lehmann empfindet das Beharren des Holocaust-Leugners Richard Williamson als Zumutung und fordert - falls nötig - dessen erneute Exkommunikation. "Ich bin entsetzt, dass er heute sagt, er muss jetzt erst studieren, und das wird Zeit brauchen", sagte Lehmann am Montagabend in der ARD.

Lehmann zur Holocaust-Leugnung: Kardinal Karl Lehmann fordert die Exkommunikation von Bischof Williamson, sollte dieser bei seinen Äußerungen bleiben.

Kardinal Karl Lehmann fordert die Exkommunikation von Bischof Williamson, sollte dieser bei seinen Äußerungen bleiben.

(Foto: Foto: dpa)

Williamson hatte in einem Interview mit dem Spiegel erklärt, er wolle die historischen Fakten des Holocausts vor einem Widerruf, wie ihn der Papst gefordert hat, nochmals prüfen. "Das ist eigentlich wirklich unsäglich, das kann nicht so stehenbleiben", sagte Lehmann. "Wenn er dabei bleibt, tritt die Exkommunikation wieder in Kraft. Das ist kirchenrechtlich möglich."

Die Rücknahme der Exkommunikation der vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft, darunter auch Williamson, durch Papst Benedikt XVI. hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Für eine vollständige Rehabilitierung der Bischöfe hatte der Papst jedoch einen Widerruf der Leugnung der Shoa durch Williamson und die Anerkennung der Grundsätze des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Bedingung gemacht.

Ebenfalls in der ARD lobte die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, am Montagabend die Mehrheit der deutschen Bischöfe für ihre klare Haltung, kritisierte aber den Papst: "Ich habe das Gefühl, er hat den Kontakt zu den Menschen als solches verloren." Sein Vorgänger Johannes Paul II. sei sehr beliebt gewesen. "Inwieweit dessen Beliebtheit auf den jetzigen Papst übergegangen ist, möchte ich bezweifeln."

Die Pius-Bruderschaft teilte inzwischen auf ihrer offiziellen Internetseite Dici mit, Williamson habe bereits am 31. Januar die Entscheidung des Generaloberen akzeptiert, ihn von seinem Amt als Direktor des Seminars in La Reja westlich von Buenos Aires zu entbinden. Er leitete das Seminar seit 2003. In einem an die argentinische Nachrichtenagentur DyN geschickten Schreiben hatte der Leiter der Bruderschaft für Südamerika, Christian Bouchacourt, die Leugnung des Holocaustes durch Williamson als "unangebracht" bezeichnet und betont, diese Äußerungen spiegelten nicht die Position der Bruderschaft wider.

Williamson kann Ausstrahlung des Interviews nicht stoppen

Williamson ist unterdessen mit dem Versuch gescheitert, die weltweite Ausstrahlung seines umstrittenen Interviews mit dem schwedischen TV-Sender Sveriges Television AB zu stoppen. Darin hatte er den Holocaust als historische Tatsache bestritten. Seinen Eilantrag lehnte das Landgericht Nürnberg-Fürth ab, wie ein Gerichtssprecher am Montag mitteilte. Auch Williamsons Forderung, die entsprechende Filmsequenz von der Homepage des Senders zu nehmen, wies das Gericht ab.

Das Landgericht Nürnberg war wegen des Interview-Orts Zaitzkofen in Bayern, das zu seinem Zuständigkeitsbereich gehört, angerufen worden. Die Pius-Bruderschaft will ihrerseits mit einem Internet-Aufruf zur Solidarität mit dem Papst dem Vatikan den Rücken stärken. Als "Aufruf einfacher und treuer Katholiken" bezeichnet die Bruderschaft ihre Unterschriftenliste, mit der der Papst in der Kontroverse um die Gruppierung "in seiner mutigen Geste" unterstützt werden soll.

Bis zum Montagabend gab es laut Bruderschaft mehr als 35.000 Unterschriften. Lehmann hat im Falle der Aufhebung der Exkommunikation von Williamson und drei weiteren Bischöfen "nie einen Zweifel an den lautersten Absichten" des Papstes, "auch nie an seiner Stellung zum Antisemitismus". Allerdings könne er nicht verstehen, "dass man nicht messerscharf die Bedingungen formuliert und auch veröffentlicht hat, unter denen dann eine Aufhebung der Exkommunikation stattfinden kann".

Jüdischer Weltkongress: Dialog mit Vatikan darf nicht abreißen

Der Vatikan und der Jüdische Weltkongress (WJC) wollen den Faden des Dialogs trotz der Belastungen durch die Williamson-Debatte nicht abreißen lassen. Nach einem Spitzentreffen im Vatikan unter anderem mit dem deutschen Kurienkardinal Walter Kasper zeigte sich die WJC-Delegation optimistisch, dass die Affäre um Williamson bald geklärt sein dürfte und sie das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum nicht auf Dauer belasten werde. Der WJC sprach sich dafür aus, dass der Papst wie geplant in diesem Jahr Israel besucht.

Nach Ansicht von WJC-Präsident Ronald S. Lauder dürfte die Botschaft des Weltkongresses im Vatikan verstanden worden sein. Auf den Holocaust-Leugner Williamson zugegangen zu sein, ziehe die Errungenschaften des vor mehr als vier Jahrzehnten begonnenen jüdisch-katholischen Dialogs in Zweifel. Die WJC-Delegation bekräftigte, den Holocaust zu leugnen sei "keine Meinung, sondern ein Verbrechen".

Dass Papst Benedikt XVI. von Williamson einen Widerruf verlangt habe, sei ein erster Schritt, dem nun konkretes Handeln folgen müsse. Die geplante Reise des Papstes nach Israel sei eine Gelegenheit für den Vatikan, seine Verpflichtung auf den Dialog mit den Juden zu bekräftigen. Lauder dankte Kardinal Kasper, der für den Dialog des Vatikans mit den Juden zuständig ist, für seine Entschlossenheit, die Krise zu bewältigen. Kasper hatte wiederholt die große Bedeutung des katholisch-jüdischen Austauschs betont.

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