Lebensmittel:Die vorauseilende Dummheit eines Discounters

Lidl-Eigenmarke sorgt für Aufregung

Kirchenkuppel ohne Kreuz - Lidls Fotoretusche ist nicht gerade weltanschaulich neutral

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Lidl entfernt das Kreuz als christliches Symbol von Verpackungen. Das ist eine gefährliche Verbeugung vor Fundamentalisten.

Kommentar von Monika Maier-Albang

Auf so etwas muss man erst mal kommen - und es müssen sich zwei Seiten finden, die das gut finden: Erstens Werbefachleute und zweitens Konzern-Verantwortliche, die deren vermeintliche Werbeidee absegnen. Dann kommt Folgendes heraus: Der Lebensmittel-Discounter Lidl retuschiert Kreuze von einem Foto, das Kirchenkuppen auf der malerischen Vulkaninsel Santorin zeigt.

Die Begründung, die der Konzern nachgeschoben hat, nachdem ein Proteststurm über ihn hinwegfegte: Man habe sich zur "religiösen und politischen Neutralität" verpflichtet gefühlt. Das klingt sehr korrekt, nur: Wer so in ein Foto eingreift, handelt nun gerade nicht weltanschaulich neutral, er verändert die Realität. Und in diesem konkreten Fall entscheidet er sich für eine Realität, in der das Kreuz, das als Symbol der christlichen Religion vielen Menschen wichtig ist, keinen Platz hat. Die Begründung des Konzerns ist aber nicht einfach falsch, sie ist vor allem sehr fadenscheinig. Denn eher wird es wohl so sein, dass Lidl mit dem Entfernen der Kreuze vor allem ein wirtschaftliches Kalkül verfolgt hat. Dahinter mag der Gedanke stehen: Das könnten ja stramme Atheisten, vor allem aber unsere muslimischen Kunden sehen und sich - huch, ein Kreuz! - so daran stören, dass sie nicht nur Feta, Oliven und Tzatziki liegen lassen, sondern gleich zu Aldi wechseln.

Christen sollten Minarette ertragen und Muslime Kreuze erdulden

So eine Überlegung ist gefährlich. Man biedert sich an bei jenen Muslimen, denen das Kreuz als Symbol des Christentums ein Dorn im Auge ist, weil sie keine andere Religion als die ihre zulassen wollen. Man biedert sich also bei den Fundamentalisten an. Man tut damit auch den meisten Muslimen unrecht. Die überwiegende Mehrheit nämlich steht vielleicht vor der Kühltheke und fragt sich, ob Schweinefleisch in der Salami ist. Ein kleines Kreuz auf einer blauen Kuppel, na und? Die Muslime, die lange hier leben, leben neben und mit Kirchtürmen. Und die erst jüngst gekommenen syrischen Flüchtlinge hatten oft christliche Nachbarn. Die Gemeinden dort, mit die ältesten des Christentums, wurden durch den IS zersprengt. In der Türkei gibt es Christen, in Ägypten auch. Man tut ihnen keinen Gefallen, wenn man "ohne böse Absicht", wie Lidl betont, Kreuze entfernt.

Es war wohl auch keine böse Absicht. Es war schlicht - vorauseilende Dummheit. Seiner gesellschaftlichen Verantwortung ist der Konzern nicht gerecht geworden. In demokratischen Gesellschaften müssen Menschen religiöse Symbole in der Öffentlichkeit aushalten können, auch wenn sie nicht ihrer eigenen Haltung entsprechen. Christen sollten Minarette ertragen, Muslime sollten Kreuze auf Kuppeln und Kirchen ebenso dulden wie auf der Käseverpackung. Und Atheisten sich bitte an beidem nicht stören. So viel Toleranz darf erwartet werden.

Und Lidl? Die Verantwortlichen dort haben jetzt beschlossen, das Produktdesign "schnellstmöglich" zu ändern. Das wird dann wohl eher etwas Unverfängliches werden: Hirte mit Ziegen, Sonne, Strand, Meer.

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