Finanzbeziehungen:Helft den Kommunen!

Demografischer Wandel in Loitz

Obwohl Deutschland von US-amerikanischen Zuständen noch weit entfernt ist, schreitet die Verödung mancher Städte, wie hier in Loitz (Mecklenburg-Vorpommern), doch zügig voran.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zu vielen deutschen Städten und Gemeinden fehlt Geld - obwohl die Aufgaben immer mehr werden. Es ist Zeit, alte Prinzipien zu überdenken.

Kommentar von Joachim Käppner

Schon vor 50 Jahren ahnten Experten, dass vielen Großstädten der USA eine düstere Epoche bevorstehen würde. Der Ökonom John Kenneth Galbraith sagte damals: "Die Stadt von heute ist eine unvorstellbar teure Sache."

Die Botschaft: Fühlt sich der Gesamtstaat für sie nicht verantwortlich, wie in Amerika geschehen, werden die Städte die Verödung und Verslumung der Citys, den Wegzug der Wohlhabenderen, den Strukturwandel oft nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Heute wirken einst blühende Städte wie Youngstown oder Detroit wie urbane Ruinenlandschaften.

Deutschland war und ist von solchen Zuständen weit entfernt. Aber die Debatte um die angeblichen "No Go Areas" an Rhein und Ruhr zeigt zumindest, dass selbst in einem reichen Land, in dem die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Grundgesetz festgeschrieben ist, von solcher Gleichheit die Rede nicht sein kann. Die deutschen Kommunen driften auseinander; aus guten Gründen gilt die Entstehung einer reichen und einer ärmeren bis bettelarmen Städteklasse als dringliches Problem.

Die Kommunen brauchen viel mehr Geld

Zwar ist die ganz große Finanzkrise der Kommunen vorüber, vor allem weil nach 2003 ihre wichtigste Einnahmequelle, die von der örtlichen Wirtschaft entrichtete Gewerbesteuer, gesetzlich wieder deutlich gestärkt und das System der Steuerschlupflöcher bekämpft wurde. Man spürt die Krise kaum oder nicht mehr in den Boomregionen München, Stuttgart, Freiburg, der Rheinschiene und anderswo. Dafür aber wird die Malaise umso deutlicher in Duisburg, Essen und in der ostdeutschen Provinz.

Je ärmer eine Kommune aber ist, je mehr Schulden sie hat, desto weniger vermag sie aus eigener Kraft wieder auf die Füße zu kommen - wie eine Familie, die den Dispokredit bis zum Anschlag überzogen hat und von der Hand in den Mund lebt.

Um zu sparen, kann eine Stadt den Zuschuss für die Sportvereine streichen, das Jugendzentrum schließen und das Stadttheater abschaffen - es wird nicht reichen. Die Kommunen nämlich sind zuständig, wenn Hunderttausende Flüchtlinge unterzubringen sind und die Qualität der Kitas zu verbessern ist. Sie brauchen für all das mehr Geld - und zwar viel mehr Geld.

In den Städten erlebt der Bürger Demokratie unmittelbar

Die Bundesregierung hat, auch das im Unterschied zu früher, die Kommunen deswegen deutlich entlastet, zum Beispiel hat sie Milliarden für die Flüchtlinge gegeben. Aber dennoch kann ein System auf Dauer nicht funktionieren, das den Städten und Gemeinden zwar immer neue Aufgaben aufhalst und ihnen dann quasi auf dem Gnadenwege einen Teil der Folgekosten erstattet; und dies meist auch noch, wie es Städtetagspräsidentin Eva Lohse auf der Hauptversammlung in Nürnberg jetzt hübsch ausdrückte, durch die "klebrigen Finger" der Bundesländer. Die sollen laut Verfassung zwar die Anwälte der Städte sein. Sie üben dieses Amt freilich aus wie ein Verteidiger, der über dem Wohl seines Klienten das eigene niemals vergisst.

In dieser Woche verhandeln Bund und Länder abschließend über die Zukunft ihrer Finanzbeziehungen. Die Kommunen saßen und sitzen nicht mit am Tisch. Zwar ist es zu begrüßen, dass Kanzlerin Merkel sie wenigstens regelmäßig konsultiert - vorgeschrieben wäre das nicht. Die Städte besitzen nicht einmal Anhörungsrechte, selbst wenn sie von den Folgen der Gesetze am meisten betroffen sind.

Nicht selten sprechen Politiker abfällig von der kommunalen "Lobby", welche nichts anderes könne als die Hand aufzuhalten. Aber das ist dummes Zeug. In den Städten erlebt der Bürger Demokratie unmittelbar. Dort kann er sehr unzufrieden reagieren, wenn sich die Folgen der "oben" betriebenen Politik bei ihm unten als Belastung zeigen, sei es in schlechten Schulen, maroden Straßen oder eben in Stadtvierteln, in die er sich nicht mehr hineintraut.

Kooperationsverbot muss zum Gebot werden

Das alte Prinzip, dass Bund und Kommunen miteinander nur über die Länder zusammenarbeiten dürfen, das berüchtigte "Kooperationsverbot", ist nicht mehr zeitgemäß, zu groß sind die Eigeninteressen der Länder.

Etwas höflicher hat das die Kanzlerin am Mittwoch vor dem Städtetag ausgedrückt. Über Ausnahmeregelungen schustert der Bund den Städten bereits jetzt direkt Geld zu. Es ist daher Zeit für ein Kooperationsgebot, schon weil Flüchtlingsintegration, Kita-Ausbau und steigende Soziallasten die Städte noch sehr viele Milliarden mehr kosten werden, die sie nicht haben.

In Nürnberg wurde noch ein weiterer Satz des klugen Galbraith zitiert: "Man kann die Leistung einer Stadt nur am Glück ihrer Bevölkerung messen." Aber dazu muss die Stadt in der Lage bleiben, diese Leistung bringen zu können.

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