Atomkompromiss: Internationale Reaktionen:"Ein Härtetest für die Koalition"

Ein fauler Kompromiss, das Ende des Guerillakriegs oder ein Stimmungsumschwung: Das Ausland beurteilt die Laufzeitverlängerung unterschiedlich.

Hannah Beitzer

Da haben es sich die Deutschen ein bisschen zu leicht gemacht, finden die Österreicher. Als "schweren Rückschlag für die erneuerbaren Energien" bezeichnet Österreichs konservativer Umweltminister Nikolaus Berlakovich die angestrebte Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke. "Faule Kompromisse können nicht die Antwort sein", erklärt der Minister in der Wiener Zeitung und betonte, dass "Atomkraft keine Antwort auf den Klimawandel" sei.

Atomkompromiss: Internationale Reaktionen: Teilnehmer einer Kundgebung gegen Atomkraft demonstrieren vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. Auch im Ausland sieht man die Laufzeitverlängerung teilweise kritisch.

Teilnehmer einer Kundgebung gegen Atomkraft demonstrieren vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. Auch im Ausland sieht man die Laufzeitverlängerung teilweise kritisch.

(Foto: apn)

Er selbst wolle jedoch "nicht locker lassen" und sein Bemühen um erneuerbare Energien verstärken, heißt es in der Kronen Zeitung. Im Standard urteilt Energieexperte Lutz Mez: "Die rot-grüne Regierung hat mit dem Atomausstieg den Druck geschaffen, in erneuerbare Energien zu investieren. Aber jetzt wurde der Druck zu Energie-Innovationen wieder verspielt." Dabei sei die Atomindustrie schon längst "auf dem absteigenden Ast".

Mehr Zustimmung gibt es aus der Schweiz. Die Neue Zürcher Zeitung schreibt von einem "energiepolitischen Gesamtkonzept, das weit über die AKW-Frage hinausreicht". Es stelle vielmehr "eine Art 40-Jahre-Plan für die Energieversorgung in Deutschland dar". Dessen Stoßrichtung beurteilt die Zeitung positiv: "Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll mit allen Mitteln gefördert werden."

In Frankreich hingegen ist man sich nicht sicher, ob die geplante Laufzeitverlängerung überhaupt kommen wird. Die Zeitung Le Monde schreibt von weitverbreiteten Vorbehalten gegen die Atomenergie in der Bevölkerung und urteilt: "Die Maßnahme wird sich nur in einem harten politischen Kampf durchsetzen lassen." Zwar sei Kanzlerin Angela Merkel überzeugt, dass sie den Bundesrat nicht zu konsultieren brauche, "aber die Opposition, die dort eine Mehrheit hat, teilt diese Meinung nicht".

Ein Guerillakrieg und Mr. Burns

Ähnlich befindet der Figaro: Angela Merkel habe zwar einen Sieg davongetragen und könne hoffen, dass damit der koalitionsinterne "Guerillakrieg" ein Ende nehme. "Doch sie ist weit davon entfernt, den Kampf um die zivile Atomkraft zu gewinnen", so die Zeitung. Diesen müsse sie "auf der Straße fortführen, wo die Stimmung gegen die Atomkraft ist" - und vor dem Bundesverfassungsgericht.

In Großbritannien scheint dieser Kampf für die Bundeskanzlerin schon beinahe verloren. "Angela Merkel hofft, mit dem Kompromiss die Risse in ihrer Mitte-rechts-Koalition zu kitten und die Lebensdauer ihrer extrem unpopulären Regierung zu verlängern", schreibt BBC Online. Der Guardian sieht das ähnlich. "Die Entscheidung über die Laufzeiten ist der bisher härteste Test für die Koalition, die ohnehin unter sinkenden Zustimmungsraten leidet." Da die deutsche Bevölkerung eher zu einem raschen Ausstieg aus der Atomenergie tendiere, könne die unpopuläre Entscheidung den Abwärtstrend verstärken. "Experten erwarten außerdem weiteren Rückenwind für die Grünen, die die Entscheidung wieder rückgängig machen wollen, wenn sie an die Regierung kommen", heißt es weiter.

Einem Scherz von Atomkraftgegnern ist der Independent aufgesessen. "Die konservativen Christdemokraten haben sogar Pro-Atom-Plakate entworfen, auf denen Angela Merkel, bekleidet mit einer Jacke in ökologisch korrektem Grün, neben der Zeichentrickfigur Mr. Burns aus den Simpsons posiert, der ein Atomkraftwerk besitzt", heißt es da. In Wahrheit ist das Plakat aber keineswegs Teil einer CDU-Imagekampagne. Man sieht es häufig auf Demonstrationen gegen die Laufzeitverlängerung.

In den USA stellt man die Entscheidung in einen größeren Zusammenhang. Sie komme "zu einer Zeit, in der mehrere europäische Länder ihre langgehegte Anti-Atomkraft-Politik überdenken - nicht nur, um neue Energiequellen zu erschließen, sondern auch um den Klimawandel zu bekämpfen", schreibt die New York Times. In Deutschland sieht die Zeitung einen Stimmungswechsel: Während die Bevölkerung früher "eine tiefe Abneigung gegenüber Atomkraft" empfunden habe, die sich durch das Reaktorunglück von Tschernobyl verstärkt habe, sei sie jetzt positiver eingestellt. "Einer Forsa-Umfrage vom Juli zufolge denken heute 81 Prozent der Deutschen, dass ihr Land nicht ohne Atomkraft auskommen kann. Vor drei Jahren waren es nur 59 Prozent", so die Zeitung.

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