Las Vegas:IS reklamiert Tat für sich: Was ist davon zu halten?

Schüsse in Las Vegas

Schnell kursierten am Sonntagabend Handybilder, die flüchtende Konzertbesucher zeigten.

(Foto: dpa)

Die IS-nahe Nachrichtenagentur Amaq behauptet, der Schütze von Las Vegas habe im Namen der Terrororganisation gehandelt. Dafür gibt es jedoch keinerlei konkrete Hinweise.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Amaq, eine der Terrormiliz Islamischer Staat nahestehende Propaganda-Agentur, verbreitete am Nachmittag im Internet zwei kurze Erklärungen, in denen sie behauptet, der Täter von Las Vegas sei ein "Soldat des Kalifats". Er sei vor wenigen Monaten zum Islam konvertiert und Aufrufen gefolgt, die Länder der von den USA geführten Anti-IS-Koalition anzugreifen. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Ermittler hatten bis zum Nachmittag keine Erkenntnisse öffentlich gemacht, auch nur einen Hinweis in diese Richtung geliefert hätten; kurz nach dem angeblichen IS-Bekenntnis stellte die Bundespolizei FBI klar: Die Tat stehe nach bisherigen Erkennissen in keinem Zusammenhang mit einer internationalen Terrororganisation.

Amaq hat zuletzt im Namen des IS immer wieder Taten für sich in Anspruch genommen, die lediglich von der Propaganda des IS inspiriert waren, ohne dass es organisatorische Zusammenhänge zwischen Tätern und der Terrormiliz gegeben hätte.

Im Mai hatte das IS-Propagandamagazin Rumiyah potenzielle Attentäter dazu aufgerufen, die lockeren Waffengesetze der Vereinigten Staaten auszunutzen. In dem Text hieß es, Dschihadisten sollten Waffenmessen und Online-Shops nutzen, um sich Waffen zu besorgen. "Der Erwerb von Feuerwaffen kann sehr einfach sein, je nachdem, wo man sich befindet", zitierte die Washington Post damals aus dem Propaganda-Text. Und weiter: In den meisten US-Staaten sei von Schrotflinten bis halbautomatischen Schusswaffen alles frei erhältlich. Nevada gehört zu den Bundesstaaten mit eher laxen Vorschriften.

IS befindet sich seit Monaten auf dem Rückzug

Militärisch ist der IS in den vergangenen Monaten in seinen Kerngebieten in Irak und Syrien extrem unter Druck geraten. Irakische und kurdische Einheiten eroberten Mossul zurück, seine wichtigste Hochburg. Die einstige IS-Hauptstadt Raqqa steht kurz vor dem Fall, kurdische und arabische Milizen unter dem Dach der von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben mehr als 60 Prozent des Stadtgebiets erobert.

Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste haben sich die verbleibenden hochrangigen Kader der Organisation in das syrische Euphrat-Tal zwischen al-Mayadin, 165 Kilometer südöstlich von Raqqa, und dem Ort al-Bukamal an der Grenze zum Irak zurückgezogen. Unter ihnen vermuten sie auch den selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi. In dem Gebiet, das viele Verstecke bietet, sollen sich noch 6000 bis 8000 IS-Kämpfer aufhalten, viele von ihnen Ausländer. Allerdings funktionieren die einst zentralistischen Befehlsstrukturen der Terrororganisation nach Einschätzung der Geheimdienste nicht mehr.

Die IS-Führung habe ihre Kommunikation auf ein absolutes Minimum reduziert, um nicht von amerikanischen oder russischen Drohnen entdeckt zu werden, oder durch Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste. Es ist schwer vorstellbar, dass die IS-Führung in dieser Situation Anweisungen an potenzielle Attentäter im Ausland gibt.

Amaq ist überdies kein Teil des IS, sondern beruft sich in der Regel nur auf Quellen innerhalb der Organisation. Die beiden Botschaften, die Amaq am Montagnachmittag veröffentlichte, enthalten allerdings kein Wissen, das über öffentlich bekannte Fakten hinausgehen würde und als Hinweis auf einen IS-Hintergrund des Täters gewertet werden könnte.

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