Landwirtschaft:Pestizide bedrohen Bienen

Eine EU-Behörde warnt vor massenhaft eingesetzten Chemikalien.

Von Tina Baier

Drei weitverbreitete Insektizide sind nach einer neuen Einschätzung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA auch für Bienen und andere nützliche Insekten schädlich. Die Chemikalien gehören zur Wirkstoffklasse der Neonicotinoide, kurz Neonics. Für Bienen sind schon weniger als zwei Milliardstel Gramm tödlich. In geringerer Konzentration beeinträchtigen die Mittel den Orientierungssinn der Insekten, die dann viel länger brauchen, um in ihren Stock zurückzufinden.

Die Risikoanalyse, für die die EFSA mehr als 1500 wissenschaftliche Studien ausgewertet hat, ist aus mehreren Gründen hochbrisant. Neonics, die tierische Schädlinge wie Kartoffelkäfer und Blattläuse töten, gehören zu den beliebtesten Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Nur das umstrittene Glyphosat wird häufiger eingesetzt. Außerdem könnte die Einschätzung der EFSA eine Entscheidung der Europäischen Union zum Thema Neonicotinoide beeinflussen, die am 22. März ansteht. Abgestimmt werden soll über ein Verbot der drei Substanzen Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam im Freiland, jener Mittel, die jetzt auch die EFSA erneut untersucht hat. Und schließlich stehen Neonicotinoide im Verdacht, eine der Ursachen für das Insektensterben zu sein, das Wissenschaftler kürzlich nachgewiesen haben: In Teilen Deutschlands ist die Zahl der fliegenden Insekten seit 1989 um durchschnittlich 76 Prozent zurückgegangen.

Schon länger ist bekannt, dass Neonicotinoide nicht speziell Schädlinge töten, sondern auch für nützliche Insekten giftig sind. Die Mittel wirken auf das Nervensystem, das bei allen Insekten ähnlich aufgebaut ist. Nach Einschätzung der EFSA gelangen sie auf verschiedenen Wegen in die Umwelt. Zum einen enthalten oft Pollen und Nektar behandelter Pflanzen Reste dieser "systemischen" Insektizide, die sich überall in der Pflanze verteilen. In diesem Fall nehmen Bienen die Gifte direkt auf und bringen sie auch noch in den Stock. Erst kürzlich haben Wissenschaftler gezeigt, dass es Spuren von Neonics in drei Vierteln der weltweiten Honigproben gibt. Auch mehrere Wildbienen-Arten, die für die Bestäubung von Pflanzen mindestens genauso wichtig sind wie die Honigbiene, kommen so in Kontakt mit der giftigen Chemikalie. Allerdings gebe es zu den Auswirkungen auf Wildbienen deutlich weniger Informationen, schränkte die EFSA ein. Auch über die Luft gelangen die Insektizide in die Umwelt, weil beim Ausbringen auf die Felder oft eine Wolke aus Staub und Neonics entsteht, die sich großräumig verteilen kann. Schließlich gelangen sie auch in Böden und Gewässer, wo sie die dort lebenden Organismen schädigen.

Die neuen Erkenntnisse würden nun der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten vorgelegt, erklärte die EFSA. Die Bundesregierung hat für eine Neubewertung der Mittel die Einschätzung der Behörde abgewartet. "Sollte sich die Schädlichkeit dieser Stoffe bestätigen", müssten sie verboten werden, hatte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt im Dezember gesagt.

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