Landtagswahlen:Was die Ergebnisse für den Bund bedeuten

Es ist ein Wahltag der Sensationen: Über die Fehler der CDU, das Desaster der SPD und die Gründe für den AfD-Erfolg.

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Die CDU stürzt ins Jammertal

Sicher, ein paar Prozentpunkte wird Merkels offene Flüchtlingspolitik gekostet haben. Aber diese Niederlagen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben sich die Kandidaten dort selbst zuzuschreiben. Eine eherne Grundregel für Wahlkämpfer lautet: Streit wird nicht gewählt.

Guido Wolf in Baden-Württemberg und Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz haben sich zu deutlich gegen die Politik der Kanzlerin gestellt. Plötzlich erschienen Winfried Kretschmann und Malu Dreyer als Hort der Stabilität und Zuverlässigkeit. Das vor allem hat zwei schon sicher geglaubte Siege gekostet. Merke: In schwierigen Zeiten halten sich die Wähler mehrheitlich an die, die auf Kurs bleiben.

Wolf war dieser Herausforderung wohl einfach nicht gewachsen. Klöckner hätte können, hat sich aber - beeindruckt vom Konfrontationskurs des CSU-Chefs Horst Seehofer - vom rechten Pfad abbringen lassen. Am Ende war nicht mehr klar, wofür die CDU in den beiden Ländern eigentlich steht. In Sachsen-Anhalt hat CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff auch kurz versucht, mit einem Anti-Merkel-Wahlkampf zu punkten. Es aber schnell wieder gelassen. Er ist der einzige Wahlsieger der CDU an diesem Abend.

Merkel kann mit diesem Ergebnis zwar nicht auf einfachere Machtverhältnisse im Bundesrat hoffen. Aber die Fehler der CDU-Spitzenkandidaten waren so eklatant, dass von den Niederlagen nur ein Bruchteil an ihr kleben bleiben dürfte.

SPD oder: Nach unten alles offen

SPD

Wie tief kann eine Volkspartei in der Wählergunst sinken? In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt zeigt sich nach dieser Wahl: sehr tief. Auf Ramschniveau wird die Sozialdemokratie dort nur noch gehandelt. In Sachsen-Anhalt hat die SPD mal das Land regiert. In Baden-Württemberg immerhin mal mitregiert. Jetzt reicht es womöglich nicht mal mehr, mit den Sozialdemokraten eine große Koalition zu bilden.

Die Partei ist so klein, dass das Wort "groß" im Zusammenhang mit der SPD etwas merkwürdig klingt. Zum einen ist sie Opfer einer Entwicklung, in der nur die Partei von einer Koalition profitiert, die den Regierungschef stellt. Malu Dreyer konnte davon in Rheinland-Pfalz profitieren. Sie bleibt womöglich Regierungschefin und ist damit die einzige Wahlsiegerin der SPD an diesem Abend.

Die Sozialdemokraten sollten daraus lernen: Sie braucht bessere Spitzenkandidaten. So sympathisch einem Nils Schmid aus Baden-Württemberg auch vorkommen mag: Gegen Winfried Kretschmann, ja selbst gegen den eher unbedarften Guido Wolf von der CDU wirkte er wie ein Schulbub. Personen sind wichtiger denn je für die Wahlentscheidung. Das dürfte der SPD für die anstehende Bundestagswahl 2017 noch einige Kopfschmerzen bereiten.

Die Grünen: The Sky Is The Limit

Grüne

Nur der Himmel ist die Grenze nach dieser Wahl. Dass die Grünen einen Ministerpräsidenten stellen, scheint nicht nur ein Schluckauf der Geschichte zu sein. Auch wenn in Baden-Württemberg jetzt schwierige Sondierungen und Koalitionsverhandlungen anstehen - Kretschmann ist der große Wahlsieger an diesem Superwahlsonntag. Sein Sieg ist eine Sensation. Die Grünen stärkste Kraft, noch vor der CDU, das hat es noch nie gegeben.

Der Erfolg ist vor allem Kretschmann selbst zu verdanken. Er hat das Land fünf Jahre lang besonnen und souverän geführt. Im Wahlkampf hat er sich geschickt als "Für-die-Kanzlerin-Beter" profiliert. Das bürgerliche Lager hat eine neue Mitte in Baden-Württemberg. Und die ist grün. Die Grünen sind gut beraten, sich Kretschmanns Wahlerfolg genau anzusehen.

Was in einem eher konservativen Flächenland wie Baden-Württemberg möglich ist, kann auch woanders gelingen. Wenn Partei, Programm und Person Hand in Hand gehen und die Wähler abholen statt sie zu verschrecken.

FDP - knapp vorm Durchbruch

FDP

So langsam berappeln sich die Freien Demokraten wieder unter ihrem Vorsitzenden Christian Lindner. Auch wenn der Weg weiter steinig und schwer bleibt. Zumindest kann die 5-Prozent-Hürde wieder als überspringbar angesehen werden für die FDP. Zweimal drin - nur in Sachsen-Anhalt liegt sie wohl knapp darunter - an einem Wahlabend, das hat es für die FDP lange nicht gegeben.

Das ist mehr, als die desaströs verlorene Bundestagswahl 2013 und Umfragen am Rande der Bedeutungslosigkeit haben vermuten lassen. In Baden-Württemberg kommen die Freien Demokraten sogar wieder satt ins Parlament. Keine Niederlage ist für die FDP heute schon ein Riesenerfolg.

Linke - nicht Fisch nicht Fleisch

Linke

Bundes-Parteichef Bernd Riexinger wollte es höchstselbst in seiner Heimat Baden-Württemberg schaffen. Die Linke sollte dort endlich ins Parlament kommen. Mit ihm als Spitzenkandidaten. Aber: keine Chance. Genauso wenig wie in Rheinland-Pfalz.

Nichts gewonnen, aber auch nichts verloren. Außer der Hoffnung, dass die Linke zu einer echten gesamtdeutschen Partei aufsteigen könnte. Das Ergebnis in Sachen-Anhalt zeigt: Die Linke ist strukturell eine Ost-Partei. Und selbst dort sind gute Ergebnisse kein Selbstläufer mehr. Ohne Gregor Gysi als Zugpferd verliert die Partei an Bedeutung.

Mit der AfD hat sie eine bedenkliche Konkurrenz um die Unzufriedenen im Land bekommen. Wenn Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht im Wahlkampf-Endspurt noch davon schwadroniert, es könne nicht jeder Flüchtling in Deutschland bleiben, zeigt das eine erschreckende Hilflosigkeit.

AfD - die Hass-Rechnung ist aufgegangen

AfD

Die Ergebnisse der AfD an diesem Abend müssen jeden Demokraten schockieren. Mit Hass-Parolen und einem Anti-Ausländer, Anti-Islam, Anti-Merkel, Anti-Alles-Wahlkampf haben sie die Unzufriedenen mit einem riesigen Schleppnetz aus Hass und Vorurteilen eingefangen. Hoffnung macht, dass reine Anti-Parteien keine lange Halbwertzeit haben.

Das Flüchtlingsthema wird sich irgendwann beruhigen, Islam-Kritik alleine wird - hoffentlich - nicht weiter fruchten. Die AfD ist jetzt in acht Landesparlamenten vertreten. Das ist schlimm. Aber auch eine Chance. Sie kann jetzt besser gestellt werden. Das wird eine Aufgabe aller Demokraten in den Parlamenten sein. Sie müssen sie nur wahrnehmen.

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