Landtagswahlen:CDU kämpft um die Deutungshoheit

  • Die CDU-Spitze stellt nach dem vergleichsweise schlechten Abschneiden der Partei das Wohl der Kanzlerin über den Schutz der eigenen Kandidaten.
  • In der CSU rumort es bereits, auch in der CDU dürfte es rumpeln.
  • Durch den Erfolg der AfD ist der Union eine historisch starke Konkurrenz am rechten Rand erwachsen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es ist bereits Tradition im Konrad-Adenauer-Haus, dass an Landtagswahl-Abenden der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion das erste Statement für die Bundes-CDU abgibt. Früher war das Peter Altmaier, seit vier Jahren setzt Michael Grosse-Brömer den Ton. Er teilt die Analyse der Wahlergebnisse mit, auf die sich die CDU-Spitze verständigt hat. Das macht die Botschaft so interessant.

Am Sonntag wird schon nach wenigen Worten Grosse-Brömers klar, was am Abend die Aufgabe aller CDU-Granden sein wird: Schaden von der Kanzlerin fernzuhalten. Ob die schlechten CDU-Ergebnisse eine Quittung für Angela Merkels Flüchtlingspolitik seien, wird Grosse-Brömer gefragt. Seine Antwort lässt ein gehöriges Maß an Dialektik erkennen. In den drei Ländern seien doch "häufig" Parteien stärkste Kraft geworden, die die Flüchtlingspolitik Merkels begrüßten, sagt der parlamentarische Geschäftsführer. Von einer Niederlage Merkels könne deshalb nicht die Rede sein, insinuiert Grosse-Brömer.

Der Erfolg von Kretschmann und Dreyer soll eine Bestätigung für Merkels Politik sein

Wie maliziös diese Aussage gegenüber den drei CDU-Spitzenkandidaten ist, zeigt schon die Tatsache, dass es die CDU-Kandidaten waren, die sich vom Kurs der Kanzlerin abgesetzt hatten. Grosse-Brömer begründet also ausgerechnet mit dem Erfolg des Grünen Winfried Kretschmann und der Sozialdemokratin Malu Dreyer, dass die Niederlage Merkels nicht so groß sei. Zur Erinnerung: Merkel ist immer noch Vorsitzende der CDU.

Die CDU-Spitze hat sich an diesem Abend entschieden, das Wohl der Kanzlerin über den Schutz der eigenen Kandidaten zu stellen. Dabei werden auch Verantwortlichkeiten vernebelt. Wenn überhaupt, dann sei doch die gemeinsame Flüchtlingspolitik von CDU und SPD abgestraft worden, sagt etwa Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Auch das AfD-Resultat sei kein spezielles Anti-Merkel-Ergebnis, die Wähler der Rechtspopulisten hätten schließlich alle etablierten Parteien abstrafen wollen.

Mit der Willkommenspolitik ging der Vorsprung der Union verloren

Aber all die Beteuerungen helfen nichts. Das Ergebnis vom Sonntag ist auch eine Botschaft an die Bundeskanzlerin. Das zeigen schon die Zahlen.

Vor einem halben Jahr lag die CDU in den Umfragen für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz noch so weit vor der Konkurrenz, dass der Weg für Guido Wolf und Julia Klöckner in die Staatskanzleien ein Spaziergang zu werden schien. Der Abstand betrug eigentlich uneinholbare zehn Prozentpunkte. Doch dann kam Merkels "Wir-schaffen-das"-Pressekonferenz und die Einladung der in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge nach Deutschland. Mit der Willkommenspolitik ging der Vorsprung der Union verloren. In Baden-Württemberg wurde die CDU am Sonntag von den Grünen sogar überholt, in Rheinland-Pfalz landete sie hinter der SPD. Und in Sachsen-Anhalt verlor Reiner Haseloffs (CDU) große Koalition ihre Mehrheit.

Das Ergebnis ist ein Desaster für die Union - und ein schwerer Schlag für Merkel. Da hilft weder der Verweis auf das katastrophale Abschneiden der SPD in Magdeburg und Stuttgart, noch der Hinweis auf die tatsächlichen Prozentergebnisse: In Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hat die CDU ihre Resultate vom vorigen Mal nur um etwa drei Prozentpunkte verfehlt, lediglich in Baden-Württemberg ist sie eingebrochen. Aber all das hilft Merkel an diesem Abend nicht. Klöckners CDU hat auf den letzten Metern gegen Dreyers SPD verloren, das zählt. Und die AfD hat sich überall zweistellig etabliert, das schmerzt.

Merkels Flüchtlingspolitik spaltet die Union - und stärkt womöglich die AfD

Die Bundes-CDU hatte sicherheitshalber schon in den vergangenen Wochen Brandmauern zwischen sich und ihren drei Spitzenkandidaten hochgezogen. Seit Wochen sendeten Merkels Leute die Botschaft: Guido Wolf, Reiner Haseloff und Julia Klöckner hätten sich unterschiedlich geschickt, aber ausnahmslos vom Kurs der Kanzlerin abgesetzt. Wenn die drei schlechte Ergebnisse kassierten, sei das keine Ohrfeige für die Kanzlerin, sondern doch genau das Gegenteil. Am Sonntagabend wird aber schnell klar, dass diese Brandmauern nicht halten werden. Zu schmerzhaft sind die Niederlagen gegen Grüne und SPD. Und zu groß waren die Hoffnungen von Julia Klöckner. Die CDU-Frau hätte mit einer Wahl zur Ministerpräsidentin zur Kronprinzessin der CDU werden können. Damit ist es jetzt erst einmal vorbei.

Aus der CSU wurden schon am Abend die ersten kritischen Stimmen laut. Die Bayern warnen seit Monaten vor Merkels Politik. Aber auch in der CDU dürfte die Debatte wieder hochkochen. Das hatte schon die hessische Kommunalwahl vor einer Woche gezeigt. Die CDU war dabei unter die 30-Prozent-Marke gerutscht, die AfD holte aus dem Stand 11,9 Prozent. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hielt sich nicht lange mit Selbstzweifeln auf, er schob die Schuld sofort auf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Die Kommunalwahl sei "eine klassische Protestwahl" gewesen, sagte Bouffier. Der Erfolg der AfD sei auch eine Folge der Uneinigkeit in Merkels Regierung über die Flüchtlingspolitik. Bouffiers Äußerung war auch deshalb delikat, weil der Ministerpräsident Merkels Stellvertreter im CDU-Vorsitz ist.

Der Erfolg der AfD lässt sich nicht mehr schönreden

In der Union geht jetzt vor allem die Angst vor der AfD um. Nach den Wahlerfolgen der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Jahr 2014 meinten manche in der Union, den Erfolg der Rechtspopulisten noch als Ost-Phänomen kleinreden zu können. Nach dem Einzug in die Bürgerschaften von Bremen und Hamburg 2015 wurde darauf verwiesen, es handele sich um Stadtstaaten, die nicht typisch für das ganze Land seien.

Seit Sonntagabend ist es mit derlei Schönrednerei vorbei. Die AfD hat zum ersten Mal auch in westdeutschen Flächenländern reüssiert. Sie sitzt jetzt in acht Landesparlamenten. Nach den Wahlen in Berlin und Schwerin im September werden es voraussichtlich sogar zehn sein.

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich die Union einer derart starken Konkurrenz am rechten Rand erwehren müssen. Die NPD war sogar in ihrer Hochphase Ende der Sechzigerjahre nur in sieben Landesparlamenten vertreten. Und so werden die kommenden Wochen für Merkel nicht sonderlich angenehm werden. Die Kanzlerschaft ist zwar nicht in Gefahr, aber in der CDU dürfte es gehörig rumpeln.

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