Landtagswahl in Thüringen:Althaus' Desaster

Dieter Althaus verliert seine absolute Mehrheit - nur mit der SPD könnte die Union weiterregieren. Doch die Genossen flirten auch mit den Grünen und der Linken. Nur wer wäre dann Ministerpräsident?

Christiane Kohl, Erfurt

Ein kurzer Händedruck auf dem Treppenhaus des Landtages. Mehr haben sich Dieter Althaus und sein Vorgänger im Amt des thüringischen Ministerpräsidenten, Bernhard Vogel, an diesem Abend nicht zu sagen. Althaus, der bleich und schmal die Stufen hinauf hastet, hat soeben die schwerste Wahlschlappe seiner Laufbahn einstecken müssen.

Dieter Althaus, Foto: AP

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus kann nicht mehr alleine regieren.

(Foto: Foto: AP)

Vogel, der gemächlich die Treppe hinunter geht, ist ein gern gesehener Gesprächspartner, wenn es darum geht, die erdrutschartigen Verluste seines Nachfolgers zu erklären. Gab es einen speziellen Grund dafür? Vogel antwortet diplomatisch: "Siege haben immer nur einen Vater, Niederlagen hingegen viele."

Schon kurz nach 18 Uhr hatten die Christdemokraten im Erfurter Landtag ihre Niederlage eingestehen müssen. Entsetzte Gesichter im Saal der CDU, als die ersten Wahlprognosen über den Bildschirm laufen. Zwar ist der unwirtliche Raum mit den Neonleuchten im Erdgeschoss gut gefüllt, Wahlhelfer aus dem ganzen Land sind hergekommen, auch aus dem Eichsfeld, der Heimat von Althaus. Einer, der am Morgen mit ihm im Gottesdienst gewesen ist, räumt gefasst ein, dass man das schlechte Ergebnis irgendwie habe kommen sehen.

Innenminister Helmut Scherer (CDU), der vor Jahren wie Vogel aus Rheinland-Pfalz nach Thüringen gewechselt war, schaut gespannt in Richtung Bildschirm. Eben trank er noch gut gelaunt sein Bier, jetzt sieht er eher betreten aus. Schweigsam verfolgen die CDU-Sympathisanten, was der Moderator im Fernsehen erklärt. Mehr als zehn Prozent minus - ein Ergebnis, dass sie erst einmal schlucken müssen.

Strahlender Linke-Kandidat

Und so erklärt sich vielleicht, dass erst, als die enormen Verluste für die CDU im Saarland mitgeteilt werden, ein Schreckensschrei den Raum erfüllt: Nun scheinen die Zuschauer zu begreifen, wie viel die CDU tatsächlich verloren hat. An einer der kahlen Wände im Versammlungsraum der CDU steht ein Transparent aus Wahlkampfzeiten: "Hauptsache Thüringen", steht da. Was könnte das für die Christdemokraten bedeuten? Klar ist schon nach der ersten Prognose, dass die absolute Mehrheit von Althaus verloren ist. Doch selbst mit den Liberalen reichen die Prozente nicht aus, um eine Regierung zu bilden. So bliebe für sie nur eine Koalition mit der SPD.

CDU-Fraktionschef Mike Mohring bringt diese Variante auch sofort ins Gespräch: Zwar habe man sich mehr erwartet, meint der Politiker, der sich stets sehr religiös gibt und ein Kreuz im Büro hängen hat, "doch wir nehmen das Ergebnis mit Demut an". Immerhin sei die CDU stärkste Fraktion geblieben, mithin werde sie auch die anderen Parteien einladen zum Gespräch über Bündnisse. Mohring lässt keinen Zweifel, dass an Althaus als Spitzenmann nicht gerüttelt werde. Unter der Hand aber sind kritische Stimmen zu hören, die Niederlage sei vorhersehbar gewesen: "Es gab so eine Stimmung, die sich immer mehr verfestigt hat", sagt ein Kabinettsmitglied, das sei "schon lange vor dem Unfall" so gewesen. Spielte der Skiunfall vom Jahresanfang womöglich gar keine Rolle für die Thüringer? Am Wahlabend ist jedenfalls nirgendwo die Rede davon.

Glücksstrahlend gibt sich Bodo Ramelow, Spitzenkandidat der Linken: Endlich sei "der schwarze Filz" abgewählt, endlich könne der Politikwechsel eingeleitet werden, frohlockt er. Er bräuchte freilich zum Regieren sowohl die SPD, als auch die Grünen, die nach 15 Jahren Abwesenheit wieder in Thüringens Landtag sind. Ramelow macht keinen Hehl daraus, dass er die Vertreter der beiden anderen Parteien einladen und damit auch den weiteren Weg vorgeben will.

Auf der nächsten Seite: Warum die Linke zu Gesprächen mit Grünen und SPD einlädt - ihr Spitzenkandidat aber nur minimale Chancen auf das Amt des Ministerpräsidenten hat.

Althaus pocht auf "Gestaltungsauftrag"

Doch von diesen kommen keineswegs eindeutige Signale. Der SPD-Landesgeschäftsführer, Jochen Staschewski, wagt sich früh ans Mikrofon: "Ohne die SPD geht nichts mehr in Thüringen", sagt er selbstbewusst. Bei den Grünen heißt es, man wolle zwar einen Politikwechsel - ob sie jedoch hierfür Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen würden, erscheint eher unwahrscheinlich.

Althaus: "Wir haben einen Gestaltungsauftrag"

Auch die SPD hatte vor der Wahl klargestellt, dass sie keinesfalls einen Vertreter der Linken zum Regierungschef machen werde und allenfalls dann eine Koalition mit der Linken eingehen werde, wenn die SPD den Ministerpräsidenten stelle. So sagt der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Christoph Matschie, auch klar: "Was ich vor der Wahl gesagt habe, gilt auch nach der Wahl." Der Politiker mit dem roten Stoppelkopf grinst dabei - er kann seine Freude nicht verbergen und betont, dass "künftig ohne die SPD nicht mehr regiert werden kann".

Ganz anders wirkt Dieter Althaus, als er kurz vor 19 Uhr endlich im Landtag eintrifft. Langsam und elegisch beantwortet er Fragen des Moderators und versucht nur eines deutlich zu machen: "Wir haben einen Gestaltungsauftrag bekommen", folglich werde er auch die anderen Parteien zum Gespräch einladen. Morgens hatte Althaus weit gelassener gewirkt, als er erst zum Gottesdienst und dann ins Wahllokal ging. Locker plauderte er mit Helfern, während er seinen Wahlzettel einwarf. Später schlenderte er zu seinem Backsteinhaus am Ortsrand, umringt von einem Pulk von Journalisten. Ramelow hat in Erfurt seine Stimme abgegeben, Matschie in Jena.

Abends treffen sich alle drei vor Fachwerkkulissen im Fernsehstudio, und Ramelow kabbelt sich prompt mit dem Moderator: Für ihn ist klar, dass er nun am Zuge sei - immerhin hat die Linkspartei vermutlich mehr Stimmprozente bekommen als SPD und Grüne zusammen. Für Ramelow bedeutet dies, dass Grüne und SPD in einem Bündnis nicht gegen den Willen der Linken einen SPD-Mann zum Ministerpräsidenten wählen könnten.

Ramelow: "Wir sind der rote Motor"

Für die Grünen-Spitzenkandidatin Astrid Rothe-Beinlich ist es an den "großen Parteien", aufeinander zuzugehen. Selbstbewusst sagt die Pfarrerstochter: "Ich bin gespannt, inwieweit die großen Tanker sich bewegen, an ihnen liegt es jetzt." Sie macht klar, dass die Grünen keinesfalls für Ramelow als Ministerpräsidenten stimmen würden: "Wir wählen nur einen der beiden, und das ist nicht Ramelow, sondern Matschie."

Ramelow wiederum besteht darauf, er müsse der Einladende sein bei Koalitionsverhandlungen: "Wir sind der rote Motor hier im Land", dröhnt er, während er von einem Fernsehstudio ins nächste eilt. Freilich vermeidet er eine klare Antwort auf die Frage, ob er Ministerpräsident werden wolle: erst müsse "sondiert werden". Und selbst den Anspruch auf das Amt anmelden, wie er es noch vor Tagen erklärte, will Ramelow jetzt nicht: "Ich bin doch nicht in einer Casting-Show."

Auch Althaus eilt von einem Interview zum nächsten. Warum die CDU knapp zwölf Prozent verlor, dazu mag er jedoch nichts sagen: "Da müssen wir erst einmal das Endergebnis abwarten." Sein Vorgänger Bernhard Vogel ist nicht so zugeknöpft: "Absolute Mehrheiten sind nicht mehr in Mode sind heutzutage", sagt er. Und wenn man 19 Jahre an der Regierung sei wie die CDU in Thüringen, dann bringe das zwangsläufig "Opfer an Stimmen" mit sich. Aber auch "über Fehler im Wahlkampf sollte irgendwann gesprochen werden", meint Vogel, will aber nichts Näheres sagen. Zuerst müsse "eine stabile Regierung" her. Vogel denkt an eine Koalition aus CDU und SPD. Andere haben freilich ganz andere Konstellationen im Kopf.

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